Eine riskante Affäre (German Edition)
nächsten schickt. Und er macht sie selbst. Nehmen Sie doch zuerst noch etwas Tee.«
Jess hatte keinen Hunger, aber aus Höflichkeit trank sie einen Schluck Tee und nahm sich ein Stück Toast. In einer Minute würde sie aufstehen, sich verabschieden und weg sein. Im Lager gab es allerlei Dinge zu erledigen. Aus der Halle draußen drang das Geräusch von etwas Schwerem, ein Rumpeln und Standishs wiederholte Ermahnungen »Seid bitte vorsichtig damit!«
»Er schafft sie zum Auspacken in den Salon.« Eunice goss Tee nach. »Die Gefäße sind gar nicht so schlimm, doch sie verwenden Stroh für den Versand. Überall Stroh und Sand. Und manchmal sogar Flöhe. Er lässt mich nicht die Töpfe abwaschen. Mir ist da eine bestimmte Methode eingefallen, aber … «
Es war schon Wochen her, dass Jess einfach nur so dagesessen und weder etwas getan noch gedacht hatte. Eunice erwartete keine Antworten oder Erklärungen. Sie war eine äußerst angenehme Person. Wahrscheinlich weinten sich viele Menschen an ihrem Rock aus.
Ein paar Minuten würde sie noch bleiben, aus reiner Höflichkeit.
Jess hörte zu, wie Eunice über Töpferartikel redete. Anscheinend gab es eine Menge, was man darüber wissen konnte. Das Licht stach nicht mehr in den Augen, als sie sie wieder öffnete. Und auch ihr Kopf schmerzte weniger. Sie trank noch etwas Tee. Dann lagen plötzlich zwei weitere Brote auf ihrem Teller, und sie aß auch diese. Der Tee war auf seine Art zwar gut, doch sie würde Eunice etwas von dem russischen schicken.
Die Tür wurde geöffnet, und ein großer Mann in Hemdsärmeln und Weste trat ein. »Guten Morgen, Tante Eunice.« Er beugte sich hinab und drückte der Frau einen Kuss auf die Wange. Sein schwarzes Haar war so glatt und dicht wie das eines russischen Zobels.
»Mein Neffe.« Eunice holte eine frische Tasse und goss ihm ein. »Er hat Sie gestern Abend ins Haus getragen, als es Ihnen nicht gut ging. Bastian, das ist Jess Whitby, die für eine Weile bei uns bleiben wird.«
Er nahm Platz, sah sie an und verwandelte sich in Sebastian Kennett.
7
Sie erinnerte sich, dass er im Regen vor ihr gestanden hatte. Er hatte seine rauen Fingerspitzen behutsam an ihre Lippen gelegt und sie so erbeben lassen.
»Sebastian … « Leise entschlüpfte ihr dieses eine Wort, ehe sie sein Gesicht näher betrachten konnte. Seine Augen waren wie das schwarze Eis auf einem dieser Morasttümpel in Russland, kalt und stahlhart.
»… Kennett«, beendete sie.
Als mache er eine Bestandsaufnahme der Körperteile, die er nackt zu Gesicht bekommen hatte, wanderte sein Blick ganz gezielt über sie hinweg. Ihr kam der Gedanke, dass ihre Hand an ihm festfröre, wenn sie ihn jetzt an der Wange berührte, so, wie es im Winter beim Anfassen von Metall passieren konnte.
Er stellte fest: »Miss Whitby. Ich sehe, Sie haben das Bett verlassen.«
»Auf und davon.« Jetzt, da ich Kleider trage, können wir ganz anders miteinander umgehen. Von dem Mann, den sie vergangene Nacht getroffen hatte, war nichts mehr geblieben. Nicht die Spur. »Mir geht es recht gut, danke der Nachfrage.«
Letzte Nacht hatte Kapitän Sebastian Kennett sie vor Kälte, Dunkelheit und Angst bewahrt. Er hatte sie in Freundlichkeit gehüllt und ihr damit mehr Wärme gespendet als jede Decke. Heute Morgen war er der Mistkerl Kennett mit seinem Ruf als gefährlicher Mann, den er in den Docks genoss, und ohne die geringste Sanftmut. Genug, um denjenigen in den Wahnsinn zu treiben, der versuchte, all das zu begreifen.
Er hatte zwei Finger in seine Jacke gehakt und trug sie lässig über dem Rücken. Jetzt warf er sie über einen Stuhl und setzte sich. Es war die Jacke eines feinen Pinkels, von irgendeinem Schneidermeister aus der Jermyn Street. Was für eine Verschwendung, wenn sich Kennett mithilfe einer teuren Maßanfertigung ein vornehmes Aussehen verschaffen wollte! Für einen Gentleman besaß er viel zu viele stählerne Muskelpakete. Genauso gut hätte man einen Tiger in eine Weste stecken und ihn ein Miezekätzchen nennen können. »Sie wären um ein Haar gestorben. Hat sie etwas gegessen, Eunice?«
»Ja, Schatz. Toast. Versuch doch mal, sie nicht so finster anzuschauen. Ich glaube, sie hat Kopfschmerzen.«
»Sie hat sich gestern Abend einen kräftigen Schluck genehmigt. Genug, um sich allein deswegen schlecht zu fühlen«, erklärte er im missbilligenden Tonfall eines Methodisten. Prächtige Haltung für einen Mann, der ihr den Brandy die Kehle hinuntergekippt hatte.
»Das kommt
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