Eine Rose fuer Captain Sparhawk
wäre, und sie wollte nicht, dass er sie für feige hielt. Energisch fasste sie nach dem Riegel und öffnete die Tür.
Und alles, was sie hatte sagen wollen, war in demselben Augenblick vergessen.
Er stand mit dem Rücken zu ihr, über eine Waschschüssel aus Zinn gebeugt, und spähte in den Spiegel, der am Schott befestigt war. Er rasierte sich, und er trug nichts außer der Kniehose, die knapp um seine schmalen Hüften saß.
Rose starrte ihn an. Die einzigen unbekleideten Männer, die sie jemals gesehen hatte, waren Gipsabgüsse von antiken Statuen, die die Gentlemen in Portsmouth als Souvenirs aus Rom mitbrachten. Und diese weißen, leblosen Gestalten hatten nichts gemeinsam mit dem Mann vor ihr.
Er stand breitbeinig da und passte sich mühelos den Bewegungen des Schiffes an. Das wirkte so selbstverständlich aus, dass Roses Aufmerksamkeit sich seinem muskulösen Rücken und den breiten Schultern zuwandte. Kleine Wassertropfen rannen aus seinem nassen Haar über den Rücken, und Rose sah zu, wie sie bis zu seiner Taille und in seinen Hosenbund liefen.
„Sprich, Mann“, befahl er und führte die Klinge von seiner Wange bis zur Kehle hinunter, „oder haben die Engländer dir die Zunge abgeschnitten?“
„Oh nein, das nicht“, stammelte sie verwirrt. „Das wäre auch nicht gut möglich, oder?“
Nick fuhr herum und blickte sie an. Ganz offenbar war er überrascht, sie hier zu sehen, aber er war nicht schockiert. „Das ist nicht möglich, nein“, sagte er und griff nach einem Handtuch, um sich die letzten Seifenreste abzuwischen. „Nicht einmal ihr Briten könnt nehmen, was euch schon gehört.“
Sie nickte, als hätte sie alles verstanden. Seine Augen wirkten jetzt besonders grün, und sie fühlte, wie sie unter seinem durchdringenden Blick errötete.
Denk nach, Rose, denk nach! Steh nicht da und halte Maulaffen feil!
„Sie sagten ‚herein’“, erklärte sie und schluckte verlegen, so lächerlich erschien ihr dieser Satz. Wenn dieser Mann doch nur so viel Anstand hätte, sich ein Hemd anzuziehen, damit sie klar denken konnte! „Ich wollte sie nicht stören.“
„Das tun Sie nicht, falls Sie einen Grund für Ihr Kommen haben.“ Nick lächelte. Ihre Offenheit gefiel ihm, und er war angenehm überrascht. So, wie sie an Deck mit ihm gesprochen hatte, war sein Eindruck von Rose Everard der eines hässlichen, zänkischen Frauenzimmers gewesen, und das hatte er auch ihrer Schwester gesagt.
Obwohl Rose nie eine Schönheit sein würde, bemerkte er jetzt doch, wie fein ihr Gesicht geschnitten war und wie dicht der dunkle Wimpernkranz war, und er bemerkte auch, wie sie unbewusst ihren kleinen rosigen Mund verzog, während sie ihn betrachtete. Wie ein Kind, dass eine Leckerei entdeckte. Das erschien ihm ansprechender als die ätherische Erscheinung ihrer Schwester.
Sein Lächeln vertiefte sich, und belustigt sah er, wie sie noch heftiger errötete, bis die Farbe ihrer Wangen der ihrer sonnenverbrannten Nase glich. „Sie hatten doch einen Grund hierherzukommen, oder, Miss Everard?“
„Sie haben mich eingeladen“, entgegnete sie verwirrt. „Sie ließen mir eine Nachricht bringen, inder Sie mich zu einer kleinen Mahlzeit in Ihre Kajüte baten. Ich nahm an, Sie meinten ein Abendessen.“
Sein Lächeln verschwand, als er das Wort Mahlzeit hörte. „Ich habe Sie eingeladen?“
„Oh ja.“ Rose suchte in ihrer Tasche nach dem Zettel. Sie war froh, einen Grund zu haben, ihn nicht mehr anschauen zu müssen. „Lesen Sie selbst.“
Er nahm ihr den Zettel aus der Hand und warf einen flüchtigen Blick auf die Schrift und das Siegel. Dann sah er über ihren Kopf hinweg zu den Kabinenfenstern. „Das ist Ihr Werk, oder? Und ohne Zweifel haben Sie auch ihre Tür geöffnet.“
Verwundert erinnerte Rose sich, dass sie durch die geschlossene Tür gehört hatte, wie er mit jemandem gesprochen hatte, und sie wandte den Kopf, um zu sehen, wer diese andere Person war. Aber die Bank unter den Fenstern war leer, genauso wie der Stuhl am Schreibtisch und die beiden Stühle am Tisch. Sie waren allein in der Kajüte. Vielleicht sprach er mit ihr, aber seine Worte ergaben keinen Sinn.
„Ich kann das nicht getan haben“, erwiderte Rose langsam, als sie sich wieder umdrehte. „Sie können nicht leugnen, dass dies hier Ihre Tinte, Ihr Papier und Ihr Siegel sind, und es ist auch Ihre Einladung.“
Aber er blickte noch immer mit finsterer Miene an ihr vorbei. „Verdammt, ich weiß, dass sie Sie nicht sehen kann! Um
Weitere Kostenlose Bücher