Eine Rose fuer Captain Sparhawk
waren schwarz und sehr würdevoll, Trauerkleider, die sie Lily zu Ehren trug. Keines davon war ansehnlicher als das, das sie gerade anhatte.
Sie klemmte ihren Reisespiegel in den Deckel des Koffers, bürstete sich das Haar, ehe sie es wieder aufsteckte. Nach Phoebes Tod hatte Rose lernen müssen, sich allein zu frisieren, und das Ergebnis war meist eher ordentlich als elegant. Zuletzt steckte sie eine kleine Spitzenhaube fest und ließ die schmalen Bänder bis zu den Wangen herunterfallen, der einzige bescheidene Schmuck.
Es half eigentlich auch nichts. Unzufrieden stellte sie fest, dass ihre Augen vom Weinen rotgerändert waren und nun perfekt zu den sonnenverbrannten Wangen und der roten Nase passten, die sie jetzt rümpfte. Alle Spitzenhauben der Welt würden nichts daran ändern, dass Captain Sparhawk sie einfach so nehmen musste, wie sie war.
Schließlich griff sie tief in den Koffer, schob ihre Kleider beiseite und tastete nach der Kerbe in der einen Ecke. Sie drückte fest mit dem Daumen dagegen, bis sie hörte, wie der Verschluss nachgab und der falsche Boden des Koffers sich anhob. Erleichtert stellte sie fest, dass die Kaperer davon nichts bemerkt hatten, denn die Ledertasche mit den neuen Banknoten und den hundert glänzenden Guineas, die Papa ihr als Hochzeitsgeschenk gegeben hatte, waren unangetastet. Daneben lagen die beiden Schachteln mit dem Schmuck ihrer Mutter, und noch eine weitere, kleinere, quadratische Schachtel, die mit schwarzem Plüsch bedeckt war. Die stellte Rose neben sich auf die Koje, ehe sie das Geheimfach schloss und ihre Habseligkeiten wieder darüber schob.
Sie nahm die kleine Schachtel in die Hand und öffnete den Messinghaken am Deckel. Drinnen lag, auf einem Polster aus weißem Satin, ein goldener Ring mit einem großen, ovalen Aquamarin, umgeben von Perlen: Ihr Verlobungsring. Sie streifte sich ihn über den Finger, und der blaue Stein funkelte in dem dämmerigen Licht der Kabine. Rasch schloss sie die Hand zur Faust, bedeckte den Ring mit der anderen Hand und schob sie beide in die Falten ihrer Röcke.
Sie hatte sich eingeredet, dass sie den Ring auf der Reise bisher nicht getragen hatte aus Angst, ein so kostbares Stück zu verlieren, aber die Wahrheit war, dass sie ihn nicht hatte tragen wollen. Solange er in ihrem Koffer gesteckt hatte, war der Ring bedeutungslos und nichts als ein teurer Gegenstand gewesen. Aber wenn sie ihn am Finger trug, war sie gezwungen, all das anzuerkennen, was er bedeutete, alles, woran sie nicht gern denken mochte.
So wahr ihr Gott helfe, sie konnte sich kaum noch an Eliots Gesicht erinnern, und bald würde sie seine Gemahlin werden. Gott stehe ihr bei!
Aber sie durfte Captain Sparhawk nicht noch länger warten lassen. Rose holte tief Luft, um sich zu beruhigen, strich sich noch einmal übers Haar und versuchte, die Tür zu öffnen.
Zu ihrer Überraschung war sie nicht von außen verriegelt, obwohl sie hätte schwören können, dass Hobb den Riegel vorgeschoben hatte. Selbst wenn sie nicht eingesperrt war, so wie die armen englischen Seeleute an Bord der Commerce es vermutlich waren, hatte sie doch erwartet, dass die Amerikaner sich etwas mehr Mühe gaben, um sie zu bewachen. Sie war beinahe in Versuchung, irgendetwas Verbotenes zu unternehmen, nur um ihnen zu beweisen, dass sie zuachtlos waren.
Obwohl die Angel Lily ein weitaus größeres Schiff war als die Commerce , ging Rose doch davon aus, dass der Raum zwischen den Decks auf ähnliche Weise genutzt wurde. Sie vermutete das Quartier des Kapitäns achtern, und vorsichtig begab sie sich dorthin.
Rose zögerte nur einen Augenblick, dann klopfte sie an die grün gestrichene Tür, die zur Kapitänskajüte führte. Sie war schon einmal hier gewesen, und zwar an dem Tag, an dem die Angel Lily ausgelaufen war. Damals hatte sie mit ihrem Vater und Kapitän Fotherill Sherry getrunken, und die Erinnerung daran weckte wieder ihren Zorn gegen Nick Sparhawk.
Er antwortete nicht.
Sie glaubte, ihn drinnen sprechen zu hören. Er schien mit jemandem zu streiten, aber da sie auf seine Einladung hin gekommen war, klopfte sie erneut kräftig gegen die Tür.
„Zum Teufel mit dieser Aufdringlichkeit, herein!“, brüllte er.
Rose kniff die Augen zusammen. Aufdringlich! Sie hatte niemals zuvor einen derartig groben Mann getroffen, und sie hätte beinahe auf dem Absatz kehrtgemacht und diese lächerliche Einladung einfach vergessen. Vielleicht aber würde er glauben, dass sie vor Angst davongelaufen
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