Eine Rose fuer Captain Sparhawk
hatte er nicht erwartet.
„Du hast es gewusst, nicht wahr?“, rief sie, riss sich die Mütze vom Kopf und schüttelte sich, bis ihr das Haar locker um die Schultern fiel. „Von Anfang an, schon im Boot, hast du gewusst, wer ich bin, und doch hast du nichts gesagt. Du wolltest, dass ich mich lächerlich mache.“
Nick zog sich den Mantel aus und warf ihn über eine Stuhllehne. Trotz der geöffneten Fenster war die Luft hier im Zimmer heiß und drückend, und sie schien bereits zu vibrieren von der Spannung, die zwischen ihnen herrschte. „Ich wusste, dass du kein Junge bist, ja. Aber warum um alles in der Welt wolltest du davonlaufen. Wohin wolltest du überhaupt gehen?“
„Ganz gewiss nicht hierher!“ Rose machte eine weitausholende Armbewegung. Das Zimmer war klein, gerade so groß, um für zwei Stühle, einen Tisch, ein Waschgeschirr und ein riesiges Bett mit Vorhängen und Kissen aus schimmerndem, scharlachrotem Stoff Platz zu bieten. Zu beiden Seiten des Bettes waren Spiegel angebracht. Über dem Kaminsims hing ein farbiger Druck, der Leda und einen großen Schwan zeigte. „Wir sind hier in … einem Bordell!“
Nicks Miene wurde hart. „Du willst nicht hier sein, Liebste. Die Welt mit all ihren Bordellen ist voll von kleinen Mädchen, die genau das gleiche dachten.“
Sie hörten ein leises Geräusch an der Tür, und Cassie schlüpfte herein, gefolgt von einem Dienstmädchen mit einem großen Silbertablett beladen mit Speisen und Getränken, das sie auf den Tisch stellte. Dann beugte Cassie sich zu Nick.
„Einer meiner anderen Gäste heute Abend hat mir von einem Nachbarn oben im Norden am Santee erzählt“, sagte sie schalkhaft. „Ein Tory, der unterwegs ist nach London und damit prahlt, dass sein mit Indigo beladenes Schiff schneller ist als alle Yankee-Kaperfahrer. Vielleicht hast du Lust, ihn zu begrüßen, wenn er morgen absegelt, um ihn eines Besseren zu belehren.“
„Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen“, erwiderte Nick und lachte leise. „Wie sonst sollte dieser Schurke lernen, die Freiheit zu respektieren?“
„Wie sollte er, in der Tat, mein Lieber?“ Cassie lächelte boshaft. „Alles im Namen der Freiheit. Nicht jeder Krieg wird auf dem Schlachtfeld gewonnen, was?“
Ihr wissender Blick wanderte von Nick zu Rose und wieder zurück, und ihr Lächeln vertiefte sich, als sie das Dienstmädchen aus dem Zimmer scheuchte.
„Soviel also zu deinem hübschen Schiffsjungen, Nick“, bemerkte sie und blieb an der Tür stehen. „Ich hätte mich gewundert, wenn dein Geschmack sich so sehr verändert hätte. Bonsoir et bonne chance, mon cher capitaine !“ Damit ließ sie die beiden allein.
„Verzeih mir, dass ich nicht so hübsch bin wie deine früheren Begleiterinnen“, sagte Rose. Ihre Stimme zitterte, so wütend und verletzt war sie. Er gehörte zu einer Frau wie Cassie, einer Frau, die ebenso schön und boshaft war wie er selbst. Einer Frau, die keine lächerlichen Spieleinsätze brauchte, damit ein Mann sie küsste. „Es tut mir leid, dass ich dein Ansehen in Madam Mortons Augen geschmälert habe.“
Nick musterte Rose eingehend. Noch immer trug sie die Sachen des Jungen, und mit ihren geröteten Wangen und dem dunklen Haar, das ihre Schultern umschmeichelte, war sie eine der begehrenswertesten Frauen, die er jemals gesehen hatte. „Wovon sprichst du, Rose?“
„Ich bin keine Närrin, Captain Sparhawk. Ich habe gehört, was sie gesagt hat.“ Rose warf ihr Haar zurück. Sie hasste ihn, weil er sie zwang, es auszusprechen. „Sie sagte, sie hätte sich gewundert, wenn dein Geschmack sich so sehr verändert hätte. Damit meinte sie doch wohl, dass du dich so weit herabgelassen hast, sich mit mir abzugeben.“
Sein Lächeln war schuld, dass es Rose auf einmal heiß wurde.
„Cassie hat gar nicht dich gemeint. Es gibt Männer, die die Gesellschaft von Knaben der von Frauen vorziehen, und sie war aus sehr selbstsüchtigen Gründen nur erleichtert, dass ich nicht zu diesen gehöre.“ Vorsichtig füllte er einen der Krüge aus der Flasche, die das Mädchen gebracht hatte, kostete und lächelte Rose über den Rand hinweg zu. „Erleichtert, und wahrscheinlich auch ein bisschen eifersüchtig. Cassie ist eine zu gewitzte Geschäftsfrau, um Konkurrenz nicht zu erkennen.“
„Mach mir nichts vor“, fuhr Rose ihn an und errötete wieder. Er neckte sie ja nur. Wie konnte sie jemals mit einer Frau konkurrieren, die so bezaubernd war wie Cassie Morton? „Und sie ist so
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