Eine Rose im Winter
und sie sieht in ihnen ihre Hoffnung für eine Weiterführung. Ja, sie erwartet sogar, daß wir uns bald um einen Erben bemühen.«
Erienne hatte das Gefühl, als ob er vor sich hin lachte, doch sie konnte absolut keinen Grund für sein Vergnügen entdecken. Das war ein Thema, das sie um jeden Preis vermeiden wollte, ihr Schweigen sprach für sich selbst, und sie bewahrte ihre kühle und unbeteiligte Haltung. Lord Saxton ließ sich aber dadurch nicht beirren.
»Was mich anbetrifft, so habe ich keine Vorlieben. Ein Mädchen mit den Augen seiner Mutter wäre mir genauso lieb.«
Erienne ging zu ihrem Toilettentisch. Während sie die Kristallflaschen umstellte, warf sie ihm einen vorsichtigen Blick über die Schulter zu. »Und wie steht es mit einem Sohn, Mylord? Wie würde er aussehen, wenn er seinem Vater ähnlich sähe?«
»Sie brauchen keine Angst zu haben, meine Liebe. Die Narben eines Mannes übertragen sich nicht auf seine Nachkommen.«
Langsam atmete sie aus und sah sich um. Sie spürte, wie der Käfig der Verzweiflung sich um sie schloß. »Ist das der Grund, warum Sie mich gekauft haben? Um das Familiengeschlecht weiterzuführen?«
»Wie ich Ihnen schon zuvor versichert habe, Madam, ich habe Sie ersteigert, weil ich Sie haben wollte. Alles andere ist von untergeordneter Bedeutung. Die Kinder, die Sie zur Welt bringen, werden auch deshalb besondere Schätzung erfahren, weil Sie die Mutter sind. Die Kinder einer anderen Mutter mögen mir vielleicht nicht so nahe stehen. Nur Sie, meine schöne Erienne, sind die Frau, die mich in meinen Gedanken und Träumen verfolgt hat.«
»Heißt das, daß ich hier Ihre Gefangene sein werde?«
»Davon kann keine Rede sein, Madam. Das kann ich ihnen versichern. Wenn Sie einen Ausflug machen wollen, brauchen Sie es nur mir oder den Dienstboten zu sagen, und man wird den Wagen für Sie anspannen. Wenn Sie gern ausreiten möchten, so haben wir in den Ställen eine edle Stute mit weißen Fesseln und einem gutmütigen Temperament. Keats wird sie gern für Sie satteln. Vor einem möchte ich Sie jedoch warnen. Ohne sichere Begleitung sollten Sie sich nicht weit entfernen. Ich bitte dringend um Vorsicht, wenn Sie die unmittelbare Umgebung des Hauses verlassen. Zu ihrer eigenen Sicherheit, Madam!«
»Ich habe Geschichten von Schurken gehört, die das Land hier im Norden unsicher machen, doch ich habe bis jetzt noch keine kennen gelernt, die schlimmer gewesen wären als die, die mich vor ihnen zu warnen versuchten.« Erienne schenkte dem Vorfall keine weitere Bedeutung, bei dem sie mit Christopher aus dem verfallenen Stall geflohen war. Immerhin war es ja auch nicht sicher, ob es sich dabei um Wegelagerer gehandelt hatte.
»Ich wünsche nur, Madam, daß Sie niemals Leuten in die Hände fallen, die hier in der Gegend auf Raub ausgehen.«
Erienne sah ihn scharf an. »Sind Sie ihnen schon begegnet, Mylord?«
»Es waren nicht Schotten, die Saxton Hall angezündet haben, das kann ich Ihnen versichern. Da mein Leben von meiner Vorsicht abhängen mag, habe ich gelernt, argwöhnisch zu sein.«
Unter dem leeren Blick der Maske senkte sie ihre Augen und sprach mit gedämpfter Stimme, »ich würde nur zu gerne erfahren, warum das Haus abbrannte. Wenn es absichtlich geschah, können Sie mir sagen, warum?«
»Madam, ich weiß nicht viel über die, die dafür verantwortlich sind. Was ich weiß, ist, daß sie einen guten Instinkt dafür haben, wie sie ihr Überleben sichern können. Wie ein Rudel Wölfe stürzen sie sich auf alles, was sie bedroht.«
»Haben Sie ihr Leben bedroht?«
»Meine bloße Existenz ist für sie eine Bedrohung.«
Ihre Stirn krauste sich leicht. »Sie werden es bestimmt wieder versuchen.«
Er nickte ungerührt. »Jawohl, aber sie werden mich nicht unvorbereitet finden.«
»Sie scheinen sich dessen sehr sicher zu sein.«
»Madam, von allen Menschen sollten Sie eigentlich diejenige sein, die am besten weiß, daß ich so wenig wie möglich dem Zufall überlasse.«
***
Die nächsten Tage schleppten sich dahin, als ob sie schwere Ketten zu tragen hätten, und Erienne fand in ihrer Furcht vor Lord Saxton keine Minderung. Wenn er mit seinem hinkenden Fuß durch die Gänge schritt, hielt sie den Atem an und lauschte. Doch so bedrohlich auch dieser Klang für die Ruhe ihres Gemütes war, so hatte sie gelernt, die Stille noch mehr zu fürchten. Trotz seiner offensichtlichen Behinderung schien Lord Saxton in der Lage zu sein, sich wie ein Geist oder ein Schatten in der
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