Eine Rose im Winter
Leidenschaft nachzugeben, die Sie in ihm erweckt haben. Doch bin ich bereit, der Tatsache ins Auge zu sehen, daß Sie von den völlig anderen Umständen, in denen Sie sich hier wieder finden, erschüttert und verwirrt sind.« Er atmete schwer und langsam, als ob er zögerte, weiterzusprechen. Seine Stimme war ernst, als er fortfuhr. »Solange ich die Kraft habe, die Leidenschaften, die Sie in mir wecken, im Zaum zu halten, brauchen Sie mich nur Ihre Wünsche wissen zu lassen. Ich werde versuchen, sie zu respektieren. Nur eine Warnung möchte ich aussprechen. Obwohl die Stute, die ich erworben habe, nicht geritten werden kann, möchte ich doch ihre Anmut und ihre Schönheit betrachten. Ich werde so meine Wünsche lebendig halten, bis Sie eines Tages bereit sind, von meiner Hand geführt zu werden und dem Gatten sein volles Recht zu gewähren, Madam.« Seine dunkle Hand wies auf die schwere Eichentür ihres Gemachs, in deren Schlüsselloch ein hell glänzender Messingschlüsse! steckte. »Ich möchte Sie eindringlich bitten, niemals diesen Schlüssel herumzudrehen oder mir auf andere Art die Tür zu verschließen. Genauso, wie Sie im Haus und seinen Anlagen alle Freiheiten haben, möchte auch ich kommen und gehen, wann ich will. Können Sie das verstehen?«
»Ja, Mylord«, sagte sie mit leiser Stimme, bereit, allem zuzustimmen, was seinen Abschied beschleunigen könnte.
Er kam hinkend näher, und Erienne fühlte, wie sein Blick sie liebevoll umfing. Die Angst vor dem, was folgen würde, nahm ihr fast den Atem. Seine Lederhände näherten sich, und ihr Körper wurde zu Stein, als seine Finger an den Bändern ihres Gewandes zogen. Er streifte es von ihren Schultern. Es glitt raschelnd zu Boden und ließ ihr nur noch die hauchdünne Hülle ihres Hemdes, um ihre Blöße zu bedecken, wobei es mehr von ihrem Körper preisgab, als es verbarg. Das dünne Gewebe schmiegte sich wie ein durchsichtiger Hauch an ihre Haut. Es ließ die sanften Formen ihrer Hüfte und ihrer Schenkel erkennen und schmiegte sich wie mit lüsterner Freude an die verführerische Fülle ihrer Brüste.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, zischte seine raue Stimme, »aber bevor ich gehe, will ich Sie einmal als meine Braut sehen. Öffnen Sie Ihr Gewand und lassen Sie mich Ihre Schönheit betrachten.«
Die Zeit schien stillzustehen, als Erienne zögerte. Sie wollte die Bitte verweigern, doch wußte sie zugleich, daß es töricht gewesen wäre, ihn noch weiter herauszufordern, nachdem er sich bis jetzt zurückgehalten hatte. Mit unsicheren Fingern öffnete sie die Schleifen und verharrte stumm und zitternd, als das Hemd zu Boden fiel. Es war ihr unmöglich, dem leeren, unmenschlichen Blick der Maske standzuhalten, die mit lähmender Langsamkeit jede Einzelheit aufzusaugen schien und längere Zeit an ihren blassen Brüsten und den wohlgeformten Kurven ihrer Hüfte verweilte. Sie heftete ihren Blick auf einen fernen Punkt und versuchte, den immer stärker werdenden Drang, vor panischem Schrecken laut aufzuschreien, zu unterdrücken. Sie wußte, daß bei seiner nächsten Berührung ihr Widerstand zusammenbrechen mußte, bis sie am Boden zu seinen Füßen liegend um Gnade bat.
Als er sich näherte, genügte sein dumpfes Flüstern, sie zurückweichen und mit weit aufgerissenen Augen in die starre, ausdruckslose Maske blicken zu lassen.
»Gehen Sie ins Bett, bevor Sie sich eine Erkältung holen.«
Seine Aufforderung riß sie aus ihrer Erstarrung. Hastig zog sie ihr Nachthemd hoch und floh wie ein aufgeschrecktes Reh in den Schutz ihres Bettes. Sie ließ sich in die weichen Daunenfedern sinken und zog die Decken bis unter ihr Kinn hoch. Lord Saxton stand noch am gleichen Fleck, an dem sie ihn verlassen hatte, als ob er in seinem inneren mit sich selbst einen Kampf ausfocht. Sie beobachtete ihn aufmerksam, bis er seinen Fuß mit dem schweren Schuh herumschwang und ein Bein nachziehend zur Tür hinkte. Schweigen erfüllte den Raum, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Es blieb nur der allmählich verhallende Klang seiner sich entfernenden Schritte, genug, um in der jungen Braut an ihren Gefühlen unbarmherzig zu zerren. Erleichtert und verzweifelt zugleich drückte sie ihren Kopf schluchzend in die Kissen. Sie sah nicht den vorüberziehenden Mond und nahm auch nicht die Dunkelheit wahr, die sich in ihrem Zimmer ausbreitete, als das Feuer im Kamin in gedämpfter Glut niederbrannte.
Neuntes Kapitel
Bis in den letzten Winkel füllte sich das
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