Eine Rose im Winter
letzten Mut und verdoppelten ihre Anstrengungen, sich aus dem Chaos auf der Brücke zu befreien.
Ein lautes, gackerndes Lachen kam vom Dach des Wagens, und Bundy schrie begeistert: »Sie haben's geschafft, Mylord! Sie hab'n se alle fertig gemacht! 's gibt niemand, der so'n gutes Auge beim Zielen hat wie Sie, Mylord.«
»Sind da oben alle in Ordnung?« fragte der Lord.
Bundy lachte glucksend. »Alle mit Ausnahme von Aggie, die einen Groll auf uns wegen ihres zerquetschten Hutes hat.«
Lord Saxton lachte nochmals vergnügt auf. Sein lahmes Bein hinter sich herziehend, ging er zum Wagen zurück, ließ die Waffen auf den Fußboden gleiten und sah zu seiner jungen Frau empor. »Und Sie, Madam? Wie ist es Ihnen ergangen?«
Erienne lächelte. »Ich habe Ihnen, Mylord, zu danken, daß ich noch wohlbehalten bin.«
Lord Saxton zog sich ins Innere und schloß die Tür hinter sich. Als er Platz genommen hatte, klopfte er mit seinem Stock an die obere Öffnung, und der Wagen setzte sich schaukelnd in Bewegung. Während ihn Erienne beobachtete, lud er die vier Gewehre neu, legte sie wieder an ihren Platz und schloß den gepolsterten Deckel. Er spürte den Blick seiner Frau, als er sich zurücklehnte, und sah sie an.
»Würden Sie einen Krüppel so anstarren, Madam?« Ein schwerfälliger Humor lag in seiner leisen Stimme.
»Sie lassen mich staunen, Mylord.« Erienne schüttelte mit einer schnellen, verwunderten Bewegung den Kopf. »Sie scheinen sich in dieser Welt nicht sehr behaglich zu fühlen, und doch verstehen Sie auf so treffliche Weise, mit ihren Schwierigkeiten fertig zu werden. Ich habe das Gefühl, daß Sie trotz Ihrer Behinderung den meisten Menschen um ein oder zwei Schritte voraus sind.«
»Ich nehme das als ein Kompliment entgegen, meine Liebe.«
Erienne trieb ihre Neugier noch weiter und bemerkte halb fragend: »Sie sind mit außergewöhnlichem Geschick mit den Gewehren umgegangen.«
»Das Ergebnis langer Übung, liebe Erienne.«
»Ganz sicher haben Sie von Christopher Seton und seiner angeblichen Geschicklichkeit beim Duellieren gehört. Glauben Sie, daß Sie ihn übertreffen könnten?«
Der Antwort ihres Mannes ging ein spöttisches Lachen voraus. »Sicherlich würde sich so eine Auseinandersetzung als außerordentlich reizvoll erweisen, sogar für mich. Doch ich möchte, meine Liebe, das Schicksal nicht herausfordern, indem ich derart unwahrscheinlichen Dingen nachgehe.«
»Ich wollte keineswegs solche unwahrscheinlichen Ereignisse heraufbeschwören, Mylord«, entschuldigte sich Erienne. »Ich wollte nur wissen, welche Stellung Sie einem Mann mit seinem Geschick zubilligen würden.«
»Am besten an meiner Seite, wenn ich zu wählen hätte. Es ist nicht klug, sich jemanden leichtfertig zum Feind zu machen, der mit Waffen umgehen kann.«
»Mein Vater und mein Bruder«, sagte sie gedehnt, »sind sie Dummköpfe in Ihren Augen?«
»Ihr Vater? Da fällt mir ein Urteil schwer.« Er lachte leicht und schlug den Staub von seinen Reithosen. »Ich bin sicher, daß ich mich selbst mehrere Male zum Narren machen würde, bevor ich Sie gehen ließe.« Er legte eine Pause ein und betrachtete nachdenklich seine Frau, die aufrecht mit abgewandten Augen dasaß, denn sie kämpfte gegen ein Erröten an. »Und Ihr Bruder? Er hat es versäumt, seine Chancen vorsichtig abzuwägen, und hat sich überstürzt für den falschen Weg entschieden. Vielleicht ist dies der Übermut der Jugend, doch sein Leid hat er selbst verschuldet.«
»Sie sind aufrichtig und ehrlich, Mylord«, versicherte Erienne, indem sie immer noch seinem unnachgiebigen Blick auswich. »Ich kann Ihnen keinen Vorwurf machen.«
»Und da Sie mich für so ehrenwert halten, meine Liebe, lassen Sie mich noch Folgendes sagen: Ich bin kein Mann, der sich leichthin duelliert, doch bin ich auch nie einer Entscheidung der Waffen aus dem Wege gegangen. Doch wenn ich damit Ihre Liebe zu mir festigen könnte, würde ich alle herausfordern, die gegen mich stünden.«
Erienne traf diese Erklärung völlig unvorbereitet. Als sie bei der Heirat ihr Jawort gegeben hatte, war es mit einem bitteren und ätzenden Geschmack in ihrem Munde gewesen. Auch die erste Woche ihrer Ehe hatte an ihrer unnachgiebigen Haltung nichts geändert. Noch immer befand sie sich in einem unauflösbaren Dilemma.
Sie wandte ihren Kopf zur Seite, blickte mit leeren Augen aus dem Fenster, ohne daß ihr eine passende Antwort eingefallen wäre. Lord Saxton ließ seine Blicke an ihrem
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