Eine Rose im Winter
gewisses Mitgefühl empfand. Für einen Mann mit dem Charakter Christophers schien eine solche Stimmung vollkommen ungewöhnlich. Sie gab zu bedenken: »Doch wenn Stuart weiß, wer an der Brandstiftung schuld ist, kann er doch diese Leute sicherlich vor Gericht bringen und sie ihrer Bestrafung zuführen.«
Wiederum kam die Antwort erst nach einer langen Pause. »Lord Saxton ist nicht mehr der gleiche Mann, der er einmal war. Er denkt heute anders. Er hat miterleben müssen, wie sein Vater erschlagen wurde. Er weiß heute noch, wie er sich bei seiner Mutter versteckte und aus Angst, daß ihn die Männer finden und töten würden, sein angstvolles Wimmern unterdrückte. Durch den Brand des Hauses hat er sich an all dies wieder erinnert. Wenn man will, so kann man die lange Reihe von Ereignissen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, in einen Zusammenhang bringen. Angefangen beim Totschlag des alten Lords und der Vertreibung der Familie aus dem Haus bis hin zu dem Brand und den Plünderungen, mit denen Cumberland überzogen wurde. Vielleicht sieht Stuart hinter dem allen eine einzige Hand und ist auf der Suche nach einer allumfassenden Gerechtigkeit, die sich auch auf die Anführer und den Drahtzieher erstreckt.«
Seine Antwort machte Erienne sehr nachdenklich. Sie war sich nicht sicher, welche Rolle sie bei der ganzen Sache spielte. War ihr Gatte ein Mann, der nur von dem Wunsch nach Rache beherrscht wurde? Oder wollte er das Netz für seine Vergeltung weiter spannen? Konnte sich sein Zorn eines Tages gegen sie richten, wenn sie zu lange unentschlossen blieb?
»Wissen Sie, warum man seinen Vater getötet hat?« fragte sie ruhig.
Ihrem Begleiter entfuhr ein langer Seufzer. »Das ist schwer zu sagen, Erienne. Als er versuchte, mit den Schotten zu einer friedlichen Einigung über das Grenzland zu kommen, wurden einige schwere Beschuldigungen gegen ihn erhoben. Einige Lords am Gerichtshof gingen sogar so weit, seine Loyalität in Frage zu stellen, da er die Tochter eines schottischen Stammesfürsten zur Frau hatte. Zur gleichen Zeit begann eine Bande von Wegelagerern das nördliche Land mit Raub und Mord unsicher zu machen. Viele beschuldigten die Schotten, während Stuarts Vater behauptete, daß es Einheimische wären, die sich zusammengerottet hatten. Er war dabei, dies zu beweisen, wurde aber getötet, bevor er sein Ziel erreichte. Natürlich machte man auch dafür die Schotten verantwortlich.«
»Wenn das alles stimmt, dann verstehe ich nicht, warum Stuart nach Saxton Hall zurückgekehrt ist.«
»Warum kehrt ein Mann zum Sitz seiner Väter zurück? Um die Ehre des Namens wiederherzustellen. Um seinen rechtmäßigen Platz als Lord über seine Ländereien wieder einzunehmen. Den Mord und die Vernichtung seiner Familie zu rächen und diejenigen zur Rede zu stellen, die dafür die Verantwortung tragen.«
»Nach allem, was Sie mir da erzählen, scheint es, als ob Sie sehr viel über meinen Mann wissen«, bemerkte Erienne.
Christopher lächelte etwas gequält. »So ungern ich das auch eingestehe, meine Dame, so bin ich doch mit dem Mann verwandt und habe so auch alle Familiengeheimnisse erfahren.«
»Was ist mit seiner Mutter? Wo ist sie?«
»Nach dem Tod ihres Mannes hat Mary Saxton zusammen mit allen Familienmitgliedern das Land im Norden verlassen. Sie hat lange Jahre als Witwe gelebt und dann einen alten Freund der Familie geheiratet. Ganz sicher wird sie Saxton Hall besuchen, sobald ihr Sohn sein Haus wieder in Ordnung gebracht hat. Vorher möchte sie sich ihm nicht aufdrängen.«
»Was ihrem Sohn zugestoßen ist, muß sie sehr traurig gemacht haben.«
»Sie ist eine ganz wunderbare Frau. Ich glaube, sie wird Ihnen gefallen.«
»Aber wird sie mich mögen? Eine Frau, die man ersteigert hat?«
»Ich kann Ihnen versichern, meine Dame, daß Sie nichts zu fürchten haben. Sie war bereits ganz verzweifelt, daß Stuart überhaupt nicht heiraten würde. Und da ihr Sohn mit Ihnen so eine prächtige Wahl getroffen hat, bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als Sie in ihr Herz zu schließen.« Er zeigte ein breites Lächeln. »Und wenn sie das nicht tun sollte, kann ich nur hoffen, daß sie Stuart dazu bringt, Sie aufzugeben, so daß ich Sie haben kann. Vielleicht fällt es Ihnen leichter, mich zu ertragen, nachdem Sie mit so einem Scheusal verheiratet waren.«
»Stuart ist kein Scheusal!« widersprach Erienne ungehalten. »Und es missfällt mir, daß jeder ihn so bezeichnet.«
»Sie sind schnell dabei,
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