Eine Rose im Winter
eines Lords bei Hofe, und seine Manieren waren untadelig. Es gab kaum einen Hinweis darauf, daß der Mann ein Schiff im Hafen sein eigen nannte und dazu noch eine ganze Flotte.
Der Umfang seiner Börse hatte Avery in Verwunderung versetzt, so daß er entschlossen war, ihm davon einen großen Batzen abzuluchsen. Sein Blut stieg ihm in die Wangen, so erregt war er von der Herausforderung, einen vermögenden Gentleman auszunehmen. Auf jeden Fall versprach es für alle, die zusahen, ein aufregendes Spiel zu werden.
Seeleute und ihre Mädchen standen dicht um den Tisch versammelt. Eine Zeitlang spielte Avery ehrlich und ließ Fortuna das Glück zuteilen. Als aber der Einsatz stieg, wurde er listig und hielt die Karten, die er brauchte, zurück. Ihm gegenüber am Tisch flackerten die Augen unter den schweren Lidern kein einziges Mal, noch schwand das höfliche Lächeln für eine Sekunde von diesem wohlgebräunten Gesicht. Jedoch als Seton sich über den Tisch beugte und ihm seine Jacke aufriss, woraufhin die gehüteten Karten vor aller Augen auf den Tisch fielen, war Avery sprachlos vor Überraschung. Er bemühte sich um alles in der Welt, die Anklage des Betrugs zurückzuweisen, und sah dumm drein und stotterte. Sein aufgebrachtes Ableugnen versöhnte keinen der Männer, und – er konnte sich noch genau daran erinnern – obwohl er sich erregt, jedoch völlig vergebens nach Verstärkung und Beistand umsah, bis Farrell eintrat und herbeieilte, um die Ehre seines Vaters zu verteidigen. Er war nie ein guter Menschenkenner, und so forderte der jüngere Fleming übermütig den Fremden zum Duell.
Averys Gesicht verfinsterte sich. Seine Unachtsamkeit war der unmittelbare Grund, daß sein Sohn mit einem verletzten Arm, den er nicht benützen konnte, leben mußte. Aber wie konnte er das gegenüber einem Menschen zugeben, außer sich selbst? Er hatte gehofft, daß Farrell den Kerl umbringen und damit die Schuld aus der Welt schaffen würde. Zweitausend Pfund schuldete er dem widerlichen Kerl! Warum konnte das Schicksal ihm nicht wenigstens einmal günstig sein? Warum hatte Farrell ihn nicht töten können? Selbst wenn Seton eine ganze Flotte sein eigen nannte, hätte kein Mensch in England um ihn getrauert. Der Mann war ein Fremder. Ein nichtsnutziger Yankee!
Ein Knurren verzerrte Averys Gesicht, als er sich der Matrosen vom Schiff des Yankees erinnerte. Christina hieß es. In triumphierendes Lachen waren sie ausgebrochen; sie schlugen dem Mann auf die Schultern und nannten ihn respektvoll Mr. Seton. Verdammt, sie freuten sich so wahnsinnig über seinen Sieg, daß Avery noch heute fest davon überzeugt war, sie hätten sich zu seiner Verteidigung in eine handfeste Schlägerei gestürzt. Für den Yankee lief alles zum besten; aber für die Flemings blieb nichts, worauf sie hätten stolz sein können.
Das Gerücht, daß er ein Betrüger sei, ging schneller um als die Pest, und damit begannen alle Gläubiger ihn wegen seiner ihnen schuldigen Gelder zu jagen.
Averys schwere, gebeugte Schultern sanken vor Müdigkeit zusammen. »Was kann ein armer, von allen Seiten bedrängter Vater jetzt nur tun? Ein verkrüppelter Sohn! Eine eingebildete, wählerische Tochter! Wie soll ich dies alles nur schaffen?«
Sein Gehirn schien in heftige Bewegung zu geraten, als er sich mit dem Gedanken beschäftigte, wie er seine Tochter verheiraten könne. Ein reicher Kaufmann aus der Nähe von Wirkinton schien interessiert, als er ihn von Eriennes Schönheit und ihren vielen Begabungen sprechen hörte. Obwohl selbst recht bejahrt, schätzte Smedley Goodfield die jungen Damen sehr und war sicher, ein Mädchen nach seinem Geschmack zu finden. Sein einziger Fehler, der Avery bekümmerte, war dessen innige Liebe zu Pecunia, denn er trennte sich nur von einem Shilling, wenn er dazu gezwungen wurde. Doch wenn ein süßes, junges Ding sein Blut und sein Bett wärmte, mochte Smedley sich vielleicht als großzügiger erweisen. Hinzu kam natürlich noch, daß er, auf Grund seines hohen Alters wohl nicht mehr lange leben konnte. Vor Averys innerem Auge erschien die Vision von einer verwitweten Erienne, frei und reich. Sollten sich die Ereignisse seinem Traum entsprechend entwickeln, könnte er des Lebens reiche Freuden dann wieder genießen.
Avery kratzte sich an seiner borstigen Wange, und ein boshaftes Grinsen verzerrte seine Lippen. Ja, er wollte es tun! Sowie der Morgen anbrach, würde er nach Wirkinton fahren und dem alternden Kaufmann seinen Vorschlag
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