Eine Rose im Winter
gerne hören, Christopher«, bedrängte sie ihn. »Auch Stuart verrät mir nichts, und ich habe ein Recht, von diesen Dingen zu erfahren. Schließlich bin ich kein Kind mehr.«
Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln, als er sie musterte. »Was das anbetrifft, haben Sie sicher recht, Madam.« Sein Lächeln erlosch, und er wurde ernst. »Doch äußerste Vorsicht ist geboten. Mein Leben hängt davon ab.«
»Glauben Sie wirklich, ich würde etwas ausplaudern, wenn es um Ihr Leben geht?« fragte sie erstaunt.
»Sie haben mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, daß Sie mich hassen, Mylady«, bemerkte er, »und Sie haben mir keinen Grund gegeben, daß ich Ihnen mein Leben anvertrauen würde.«
Sie ließ sich durch seinen durchdringenden Blick nicht beirren. »Ich wünsche nicht, daß Ihnen etwas zustößt, Christopher.«
Er dachte lange über ihre Antwort nach und fragte dann überraschend: »Wie steht es mit Ihrem Vater? Vertrauen Sie ihm?«
»Alles, was ich ihm schulde, liegt hinter mir.«
»Sie sind herzlos«, war seine Antwort.
Sein plötzlicher Themenwechsel verwirrte Erienne, und sie bemühte sich, wieder zum alten Thema zurückzukehren. »Mein Vater verdient überhaupt nichts …!« Dann bemerkte sie, wohin sein Blick fiel. Sie sah an sich herab und fühlte zugleich, wie ihre Brustspitzen groß und steif gegen ihr dünnes Nachthemd drückten. Ihre Wangen wurden heiß vor Verlegenheit, sie wandte sich blitzschnell ab und verschränkte ihre Arme vor der Brust und stöhnte unwillig auf, denn dieser Mann verwirrte sie.
Christopher lachte. Er nahm seinen Mantel, trat zu ihr und legte ihn ihr über die Schultern. »Ich finde es besser, wenn Sie sich frei und warm fühlen«, murmelte er mit warmer Stimme in ihr Ohr, »und wenn Ihr Haar offen herabhängt.«
Erienne glaubte in seiner Nähe zu ersticken. Ihr ganzer Körper bebte im Gefühl seiner Gegenwart, doch sie wußte, daß das kleinste Zeichen ihrer Schwäche zur Katastrophe führen mußte. Den Kopf über die Schulter gewandt, erinnerte sie ihn kurz: »Sie waren dabei, mir etwas über dieses Verlies zu erzählen.«
Er lachte in sich hinein, trat einen Schritt zurück und rieb sich die Hände, dabei schritt er auf und ab. »Vielleicht sollte ich Ihnen zuerst kurz die Geschichte von dem alten Lord erzählen. Broderick Saxton war ein Mann, der den Frieden suchte, ein gelehrter Mann, der in die Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Schotten geraten war.« Nachdenklich ging er zum Ende des Ganges, schloß die schwere Tür gegen den eiskalten Luftzug und kam dann wieder zu ihr zurück. »Vor ungefähr fünfzig Jahren gab es einen Aufstand der Jakobiten. Einige Schotten, die meisten aus dem Unterland, hielten der englischen Krone die Treue, während die Hochländer begeistert von Bonnie Charlie zum Schwert griffen und sich schworen, ihr Land zu befreien. Mehrmals hat sich die Grenze verschoben, und Saxton Hall lag inmitten dieser Kämpfe. Der Lord des Herrensitzes versuchte zwischen seinen Landsleuten und den Engländern zu vermitteln. Sein eigener Vater war Engländer, während seine Mutter von einem Clan der Hochländer abstammte. Dank seiner Treue zum Königshaus durfte er, als der Kampf zu Ende ging und Cumberland endgültig ein Teil Englands wurde, seine Ländereien behalten. Es gab einige, die ihn verachteten und ihm viele böse Dinge nachsagten. Er heiratete Mary Seton aus einem Clan der Hochländer, die ihm zwei Söhne gebar. Vor mehr als zwanzig Jahren, als der Jüngste noch nicht zehn Jahre alt war, wurde der alte Lord, nachdem sich die Familie schon zur Nacht zurückgezogen hatte, von einigen Männern aus dem Haus gerufen. Er kam in gutem Glauben heraus und wurde von dem Führer der Gruppe erschlagen, bevor er sein Schwert ergreifen konnte. Einige behaupten, es waren die Hochländer, die sich rächen wollten.«
In tiefe Gedanken verloren wartete Christopher einen langen Augenblick, bis er, vor ihr auf und ab gehend, mit seiner Geschichte fortfuhr. »Es gibt aber auch andere, die sagen, daß es nicht Banden aus dem Norden waren, sondern Männer von englischem Blut, die alles, was schottisch war, hassten, und dem Lord seine Macht und sein Glück neideten. Wie dem auch sein mag, sie ermordeten ihn und griffen das Haus an, um alle zu erschlagen, die Zeugen des Verbrechens gewesen sein konnten. Die unbewaffneten Dienstboten flohen, und Mary Saxton verbarg sich hier in diesem Gang, bevor es ihr gelang, mit ihren Söhnen zu
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