Eine Rose im Winter
entzogen hatte. Die Reiter verdoppelten ihr Tempo, um ihrer Beute keine Gelegenheit zu geben, abzubiegen und sich zu verbergen. Sie donnerten um die Biegung und verharrten sekundenlang völlig verwirrt. In der Ferne sah man den Wagen noch dahinrasen, doch in seinen Spuren stand plötzlich ein einzelner Mann in den Steigbügeln. Den Kopf hatte er unter einer Kapuze verborgen, und sein weiter Mantel flatterte im Nacht wind. Sein Pferd glänzte wie schwarzes Mondgestein, und die lange Mähne und der Schweif wehten wie ebenholzfarbene Banner im Wind. Ihre Verwunderung wich wilder Entschlossenheit, ihn niederzureiten. Sie gaben ihren Tieren die Sporen. Die Erscheinung hob einen Arm, an dessen Ende sie die große Mündung einer Pistole anstarrte. Ein Blitz, ein Donner, und mit einem halb unterdrücktem Schrei riß es einen der Meute aus dem Sattel, ehe er krachend zu Boden fiel. Die geisterähnliche Gestalt hob den anderen Arm, der auch eine Waffe hielt. Ein zweiter Blitz, ein zweiter Donner, und ein anderer sackte auf seinem Pferd in sich zusammen und rollte nach ein oder zwei Schritten vor die Hufe der anderen Tiere.
Der einsame Reiter rammte die Pistolen in die Halfter am Sattel und zog mit einem durchdringenden Schrei einen streitlustig funkelnden Säbel. Er gab seinem Hengst die Sporen, sprengte geradewegs in ihre Mitte und schickte die Meute in kopflose Flucht, als er den Säbel mitten unter ihnen hin und her schwang. Bevor die Banditen wußten, wie ihnen geschah, fiel ein weiterer, von einem Hieb von der Schulter zur Hüfte tödlich verwundet. Noch einmal blitzte die Klinge im Mondlicht und durchbohrte eine Sekunde lang die Brust eines anderen Reiters.
Gegen die Erscheinung des Geisterreiters waren die Banditen machtlos. In ihrem Kopf waren noch schreckliche Erinnerungen an eine Feuer speiende Höhle, brennende Zelte, aus denen sie flüchten mußten, und an das gleiche schwarz glänzende Ross, das auf den Hinterbeinen tänzelte und dabei den Schrei seines Herrn mit einem durchdringenden Wiehern beantwortete. Ihre Pferde minderer Rasse schlugen aus und bockten, als der Hengst schnaubend und mit blitzenden Hufen rücksichtslos in ihre Mitte wirbelte. Ein Mann schrie auf, dem die blitzende, bluttriefende Klinge seinen Arm bis auf den Knochen zerfetzt hatte. Die Zügel entglitten seiner nun gefühllosen Hand, und sein Pferd ging durch. Es bockte und sprang quer über den steinigen Boden, bis es gegen eine niedrige Steinmauer rannte, wo es in Panik seinen Reiter auf die Felsen warf. Der Vernichtung bringende Todesreiter gab seinem dämonischen Pferd die Sporen, um hinter den drei Reitern herzusetzen, die noch unverletzt waren. Doch sie rissen noch rechtzeitig ihre Tiere herum und suchten ihr Heil in der Flucht, bevor die Rache auch sie einholen konnte.
Der verwundete Räuber kauerte hinter der Steinmauer und versuchte wegzukriechen, als die geisterhafte Erscheinung auf ihn zuritt. Er flehte um Gnade, und der Geisterreiter brachte sein Pferd für einen Augenblick zum Stehen und betrachtete nachdenklich die erbärmliche Gestalt. Wie ein Vogel, der sich vom Fluge niederlässt, glitt der Schwarze wie ein Nachtfalke plötzlich zu Boden und hielt seinen Mantel weit ausgebreitet, um ihn dann wie zusammengefaltete Flügel um sich zu raffen. Sein Gesicht immer noch von der Kapuze verborgen, beugte er sich vor und ergriff den Mann am Hemdkragen. Die Kleidung war mit einem Hieb aufgeschlitzt, und zum Erstaunen des Verwundeten tupfte der andere das Blut ab und verband ihm den Arm. Der Geist trat zurück, zog seinen Säbel und setzte die Spitze auf die Erde.
»Du darfst leben!« Die Stimme war schroff und voller Zorn. »Ein trauriges Schicksal für einen so erbärmlichen Feigling wie dich, aber es wird davon abhängen, was du mir in den nächsten Minuten erzählen wirst.«
Der Wegelagerer zitterte am ganzen Körper. Er sah sich vorsichtig um. Weiter unten auf dem Weg hatte der Wagen angehalten, aber der Kutscher machte keine Anstalten zurückzukommen und hielt sich ängstlich in sicherer Entfernung.
»Habt ihr ein Lager?« fragte der Geisterreiter.
»Jawohl, ein kleines.« Der Mann antwortete mit zitternder Stimme, jeden Augenblick konnte das Schwert in die Höhe sausen und aufblitzen, um ihm wie Timmy Sears sein Leben zu nehmen. »Es gibt jetzt überhaupt keine großen mehr. Wir sind alle verstreut, nur der oberste Anführer weiß, wo die Vorräte liegen. Und auch die Beute«, beeilte er sich hinzuzufügen. »Er hat gesagt,
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