Eine Rose im Winter
das Fußgelenk und wäre fast zu Boden gefallen, doch der Schmerzensschrei war noch nicht von ihren Lippen, da umfingen sie schon Christophers Arme, und er nutzte sogleich die Gelegenheit, sie fest an seinen Körper zu drücken.
Erienne versuchte ihn von sich wegzudrücken, verwirrt von der peinlichen Lage, die ihren Busen an seine Brust und Schenkel an Schenkel gebracht hatte und sie aufs deutlichste seiner Männlichkeit bewußt werden ließ. In Sorge, schnellstens weiterzukommen, setzte sie ihren Fuß auf den Boden, doch als sie das Fußgelenk mit ihrem Gewicht belasten wollte, verzog sich ihr Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse. Christopher hatte ihre Reaktion beobachtet. Ohne sich auch nur zu entschuldigen, streifte er ihr den Mantel von den Schultern, gab ihr die Laterne in die Hand und hob sie in seine Arme.
»Sie können mich nicht hinauftragen!« protestierte sie. »Was ist, wenn jemand Sie sieht?«
Seine Augen funkelten, als er ihrem erstaunten Blick begegnete. »Langsam fange ich an zu glauben, Madam, daß Sie sich mehr um Sitte und Anstand kümmern, als um sich selbst. Die meisten Dienstboten sind jetzt im Bett und schlafen.«
»Und wenn Stuart kommt?« gab sie zu bedenken. »Sie sagten soeben, daß er bald eintreffen muß.«
Christopher lachte vor sich hin. »Ihm jetzt zu begegnen, wäre gewiß nicht ohne Reiz. Vielleicht fordert er mich sogar zu einem Duell, um Ihre Ehre zu verteidigen.« Er sah sie an und zog eine Augenbraue hoch. »Würde es Ihnen leid tun, wenn er mich verwundete?«
»Ist Ihnen nicht klar, daß so etwas durchaus passieren könnte?« fragte sie ärgerlich, weil er sich über eine solche Möglichkeit lustig machte.
»Regen Sie sich nicht auf, meine Liebe«, schmeichelte er mit einem Lächeln auf den Lippen. »Sobald ich ihn kommen höre, laufe ich weg, und so unbeholfen wie er ist, wird er mich nicht erwischen.« Er zog sie enger an sich und begegnete lächelnd ihrem ungehaltenen Blick. »Es ist ein wunderbares Gefühl, Sie so in meinen Armen zu spüren.«
»Halten Sie sich zurück, Sir«, ermahnte sie ihn streng und schenkte ihrem schnell schlagenden Puls kaum Beachtung.
»Ich versuche es, Madam. Ich gebe mir wirklich Mühe.«
Vorsichtig legte sie einen Arm um seinen Nacken und entspannte sich an seiner Brust, während sie die Laterne hielt, die ihnen den Weg wies. Schweigend stiegen sie die Stufen hinauf, und obwohl sie ihren Blick abgewandt hatte, spürte sie, wie sein Blick auf ihr lag. Wenig später waren sie in dem Gang, der aus dem Seitenflügel herausführte, und er schritt sicher in Richtung ihres Schlafzimmers.
Erienne entging nichts, und sie mußte an die Nacht denken, als er vor ihrer Tür gewartet hatte. »Sie scheinen sich hier im Haus recht gut auszukennen. Sogar den Weg zu meinen Räumen.«
»Ich weiß, wo die Zimmer des Lords sind und daß Sie sie benutzen«, erwiderte er und sah sie an.
»Ich fürchte, ich werde mich in diesem Haus nie wieder sicher fühlen können«, entgegnete sie. Es sollte sarkastisch klingen, war jedoch nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Er strahlte sie mit einem teuflischen Lächeln an. »Ich würde es nie wagen, mich Ihnen aufzudrängen, Mylady.«
»Um das glauben zu können, habe ich mich schon zu oft verteidigen müssen«, erklärte sie.
Er blieb vor ihrer unverschlossenen Tür stehen, drehte den Knauf und schob mit seiner Schulter einen Flügel auf. Als er sie ins Innere trug, verhielt er neben einem Tisch und ließ sie die Laterne abstellen. Dann ging er weiter zum Himmelbett. »Ich bin nur ein ziemlich gewöhnlicher Mann«, stellte er fest. »Kann man es mir da verübeln, wenn ich eine Frau von so ungewöhnlicher Schönheit bewundere?«
Die Decken waren zurückgeschlagen, und er ließ sie langsam in die weichen Kissen sinken. Sein Blick suchte die wie Amethyst funkelnden Tiefen ihrer Augen und entdeckte in ihnen die ängstliche Zerrissenheit, die ihn zugleich anzog und nachdenklich machte. Das war es, was ihn zurückhielt, obwohl es ihn innerlich dazu drängte, alles zu sagen, was ihn bewegte. Er war erfüllt von dem sehnlichen Wunsch, sie voller Inbrunst zu küssen und seine Ungeduld zu stillen, während die winzige Kerzenflamme das sanfte Blau ihrer Augen vor ihm erhellte. Doch zu viel konnte verloren gehen, wenn er unklug handelte, und er war nicht bereit, schon jetzt etwas aufs Spiel zu setzen.
Galant führte er ihre Fingerspitzen an seine Lippen und küßte sie sanft. Dann wandte er sich ab, ergriff die
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