Eine Rose im Winter
zu schaffen, indem sie Teller und silbernes Geschirr hinstellte, während Erienne einen leichten Wein ausschenkte und die Becher den Männern gab. Avery krauste heftig die Stirn und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit seiner Tochter auf sich zu lenken.
»Ah, Mädchen, meinst du nicht, daß ihr vielleicht noch was Passenderes habt, um den Straßenstaub aus einer Männerkehle zu spülen?«
Erienne lachte entwaffnend. »Trinken Sie nur Ihren Wein, Vater. Ist besser für Sie. Gleich gibt es Essen und danach einen guten Brandy.«
Der Mann schmollte etwas, doch da er nicht zu denen gehörte, die auch nur irgendein Gebräu stehen lassen konnten, fand er sich zögernd damit ab.
Als sie Farrell sein Getränk reichte, berührte sie fürsorglich seinen leblosen rechten Arm. »Wie steht es damit, Farrell?« wollte sie wissen, »ist er besser?«
Farrells Züge hellten sich auf. »Vor einigen Wochen war ich in York. Ich hatte mir damals, wenn du dich erinnerst, den Wagen von Lord Saxton für die Fahrt geliehen. Dort habe ich einen Arzt besucht, der sich mit Schusswunden gut auskennt. Er glaubt, daß die Kugel noch im Arm steckt und daß das der Grund ist, warum ich den Arm nicht bewegen kann. Seiner Meinung nach könnte man die Kugel rausschneiden, doch für den Arm ist das etwas riskant.« Er hob ihn hoch und zuckte die Schultern. »Weiß nicht, was schlimmer ist, ein Stumpf oder ein unnützer Zweig.«
Erienne klopfte ihm tröstend auf die Schulter. »Wir werden Lord Saxton fragen. Er hat viele Ärzte in seiner Bekanntschaft.« Sie nahm sich einen Stuhl und bat ihn mit einer Handbewegung, neben ihr Platz zu nehmen. »Aber erzähl mir doch, wie ging es denn mit Miß –« Der lahme Arm stieß sie ungeschickt an und machte sie auf sein warnendes Stirnrunzeln aufmerksam, »Mister … ah … du weißt schon, der dich neulich im Schiffahrtsbüro in Wirkinton anstellen, wollte?« Es war das einzige, was ihr in der Eile einfiel. »Wie war doch gleich sein Name?«
»Mr. Simpson.« Farrell nickte langsam und lächelte, während er seinen Wein probierte, »ich will mir jetzt in York Arbeit suchen und habe diese Sache deshalb aufgegeben.« Er wies mit seinem Glas auf Avery. »Vater ist natürlich ganz sicher, daß ich ihn verlassen will.«
Seine Schwester lachte und zog ihn am Ärmel, während sie sich zu ihm beugte, als ob sie ihm etwas Vertrauliches zu sagen hätte. »Er ist in dich vernarrt, Farrell, Sieh zu, daß du ihn auf seine alten Tage bei guter Laune hältst.«
»Hm, hm!!« Das kehlige Grunzen machte deutlich, daß Avery ihrer Unterhaltung gefolgt war, immerhin soweit, daß er die letzte Bemerkung verstanden hatte. Er maulte säuerlich vor sich hin. »Nadeln und Pfeile und die Spitzen von deiner Zunge sind wirklich genug, um mir das Fell zu zwicken, Mädchen.«
»Salz hält die Haut sehr schön frisch, Vater, oder haben Sie das noch nicht gehört?« erwiderte Erienne kurz. Avery starrte sie mit leeren Augen an, bis sie lachend eine Handbewegung machte. »Nehmen Sie's nicht so ernst, Vater. Trinken Sie ihren Wein, und wenn Sie wollen, lass' ich Paine einen Krug Ale aus der Speisekammer holen. Vielleicht ist das mehr nach Ihrem Geschmack.«
»Hm, hm!« grunzte er wieder, nahm einen kräftigen Schluck und fuhr dann mit dem Handrücken über seinen Mund. »Die Liebe eines Vaters kann man nicht mit süßen Verlockungen erkaufen, Kieme.«
Sie zog eine Augenbraue hoch und fragte mit freundlicher Stimme: »Möchten Sie das Ale nicht haben?«
Avery schoß von seinem Stuhl hoch.»Du drehst mir genauso die Worte im Munde herum wie deine Mutter! Ich habe nichts dergleichen gesagt!« Er machte eine Pause, beruhigte sich etwas und versuchte, seinen barschen Ton etwas zu mildern. Er wollte nicht aufs Spiel setzen, was er am meisten begehrte. »Ich nehme das Ale.«
Eriennes Augen lachten vergnügt. Den Gedanken, daß sie sich auf seine Kosten amüsierte, konnte Avery nicht ertragen. Mit einer kleinen Stichelei hoffte er, ihre Fröhlichkeit etwas dämpfen zu können.
»In der Stadt hört man immer häufiger, daß Mr. Seton der nächtliche Reiter ist.« Zu seiner Enttäuschung wich das Lächeln nicht von ihrem Gesicht. Er nahm einen neuen Anlauf. »Es geht noch weiter. Allan glaubt, daß er verwundet oder sogar tot sein könnte, da in letzter Zeit keine Fälle mehr bekannt geworden sind, wo er einen angegriffen hat.«
Erienne zuckte gleichgültig die Schultern. »Nachdem ihn hier alle in der Gegend gejagt haben, sieht es wohl
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