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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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brauchte.
    Sehr zu seinem Ärger mußte er jetzt sehen, wie seine Tochter sich an das Cembalo begab und sich neben ihren Mann stellte. Er wagte nicht, sich ihnen zuzugesellen, denn zwischen ihnen schien für diesen Augenblick eine besondere Vertraulichkeit zu bestehen, als ihre weiche, heitere Stimme mit den Tönen des Instruments verschmolz. Es war ein harmloses Liebeslied, doch er hielt das Mädchen für verrückt, daß sie ihrem Mann mit solcher Ehrfurcht begegnete. Avery hatte schon im Laufe des Tages verschiedenen Bemerkungen entnommen, daß der Lord und seine Frau getrennte Schlafzimmer hatten, und er schloß daraus, daß die hier so offen gezeigte Zuneigung sich nicht auf ihr Bett erstreckte.
    Für Avery bedeutete es eine große Erleichterung, als Paine eintrat und verkündete, daß das Abendessen bereit war. Alle vier versammelten sich um den mit Kerzen erleuchteten Tisch. Lord Saxton in einem schweren Lehnstuhl an der Stirnseite, Erienne zu seiner Rechten und die beiden Besucher auf der gegenüberliegenden Seite. Farrell und Avery merkten beide sehr schnell, daß nur für sie gedeckt war und daß sich Erienne damit begnügte, an einem Glas Wein zu nippen. Der Bürgermeister nahm das mit Verwunderung zur Kenntnis, tat es jedoch als eine Laune reicher Leute ab. Was ihn anging, so nahm er die Gelegenheit wahr, den vorzüglich zubereiteten Speisen reichlich zuzusprechen.
    Schließlich war es Farrell, der Erkundigungen anstellte, nachdem er sein Glas erhoben und auf die Gesundheit und das Glück seiner Gastgeber getrunken hatte. Er wies auf den leeren Platz vor seiner Schwester und fragte erstaunt: »Isst du nicht mit uns heute abend?«
    Erienne lächelte und begann sich zu entschuldigen. »Du sollst das nicht falsch verstehen, Farrell.« Sie legte ihre Hand auf jene mit dem schwarzen Lederhandschuh, die neben ihr lag und drückte sie zärtlich. »Wie du weißt, zieht es mein Mann vor, für sich allein zu speisen, und ich habe mich entschlossen, ihm heute abend Gesellschaft zu leisten.«
    Avery wunderte sich, daß das Mädchen so ganz unverhohlen zugab, daß sie die Gesellschaft des Narbengesichts zum Essen vorzog, anstatt ihr Essen zusammen mit normalen Menschen einzunehmen. Er dachte scharf darüber nach, warf die Lippen etwas auf und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. Frauen hatten ihn noch stets verwirrt, aber dieses Ding wurde in der Art, wie sie ihre Wahl traf, immer verrückter. Erst hatte sie alle Bewerber als eine Bande von alten, häßlichen Männern von sich gewiesen, und nun liest sie einem Mann jeden Wunsch von den Augen ab, ohne sich daran zu stören, daß die meisten Leute ihn für ein ausgewachsenes Ungeheuer halten. Und wer hätte das gedacht, sie umklammerte sogar seinen Arm und betete ihn zärtlich an, als ob er ein edler Ritter sei.
    Eine Schüssel mit einer fetten Brühe, in der reichlich Gemüse und Fleisch schwamm, wurde vor Avery hingestellt und unterbrach seine Überlegungen. Paine füllte ihre Becher auf und legte warme Brotlaibe in die Mitte des Tisches, bevor er wieder zurücktrat. Avery verzichtete auf das Messer, er brach sich dicke Stücke vom Brot und tunkte es in die Suppe. Mit dem Brot in der einen und dem Löffel in der anderen Hand setzte er seine Mahlzeit fort. Nach jeweils drei oder vier Löffeln tauchte er sein Brot ein und füllte seinen Mund mit dem tropfenden Stück, so daß im Verlauf der Mahlzeit zwischen seiner Hemdbrust und der Schüssel eine feuchte Spur entstand.
    Plötzlich hielt Avery inne. Seine Augen weiteten sich, und seine Backen blähten sich von einem halb unterdrückten Rülpser. Ein blubberndes und gurgelndes Geräusch erklang durch den Raum, als sein Magen rebellierte. Averys Nacken wurde rot, als er mit sich kämpfte, um ein unstillbares Bedürfnis zu unterdrücken. Langsam ging es vorbei, und er entspannte sich. Nach einem schnellen, dümmlich-verlegenen Blick über den Tisch wandte sich der Bürgermeister wieder dem Essen zu, tauchte das Brot ein und sabberte. Der Löffel machte einige Rundreisen zwischen Schüssel und Lippen, bevor sein Gesicht erneut einen schmerzverzerrten Ausdruck bekam. Er ließ den Löffel geräuschvoll fallen und preßte unter dem Tisch seine Hände zusammen. Er wand sich und zappelte mit den Füßen. Sein Gesicht bekam rote Flecken, während sich die Füße noch schneller bewegten.
    Schließlich ließ der Schmerz nach. Er starrte Farrell an, der fragend seine Augenbrauen hochzog, und dann Erienne, die an ihrem Wein

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