Eine Rose im Winter
zu erobern. Alles, worum ich Sie bitte, sind hie und da ein paar Augenblicke, die Sie mir schenken, und daß ich mich dann Ihnen erklären kann mit der Absicht, daß wir in ferner Zeit liebevolle Stunden miteinander verbringen.«
Ihr Gesicht wurde nicht weicher. Trotzdem entzückte ihre Schönheit seinen Blick und schuf in seiner Seele einen süßen Schmerz der Sehnsucht, der weder so einfach beiseite geschoben noch mit irgend etwas gestillt werden konnte, als mit dem, was er begehrte.
»Das Leid, das Sie uns allen angetan haben, steht zwischen uns.« Ihre Stimme klang bitter. »Und ich muß die ehren, die sich auch für meine Ehre eingesetzt haben.«
Er betrachtete sie eine lange Weile, dann setzte er seinen Hut auf. »Ich könnte Ihnen allen Sorglosigkeit und Trost versprechen.« Er hielt inne und tippte an seinen Hut, ohne ihren Blick loszulassen. »Wäre das eine Freundlichkeit oder ein Fluch?«
»Freundlichkeit oder Fluch?« höhnte Erienne. »Ihre Weisheit geht über meinen Verstand, Sir. Ich weiß nur, daß mein Vater sich ob Ihrer Anschuldigung verzehrt vor Angst, und mein Bruder wimmert in seinen Träumen wegen dem, was Sie ihm antaten.«
Christopher schob einen Arm in den Mantel und warf ihn über die breiten Schultern. »Sie haben ein Urteil über mich gefällt, ehe ich ein Wort zu meiner Verteidigung sagen konnte. Gegen ein verstocktes Gehirn kann ich nicht argumentieren.«
»Fort! Fort mit Ihnen!« fuhr sie ihn an. »Nehmen Sie Ihre Sprüche und flüstern Sie sie anderen bereitwilligen Ohren ein. Ich will mir Ihre Ausreden nicht anhören, noch will ich Ihr albernes Geschwätz länger ertragen! Ich will, daß Sie gehen! Für immer!«
Er betrachtete sie mit einem zarten Lächeln. »Hüten Sie sich, Erienne. Ich habe gelernt, daß Worte, die wie Tauben ins Tageslicht fliegen, oft zurückkehren, um sich in den dunkelsten Stunden einzunisten.«
Erzürnt suchte Erienne nach einem Knüppel. Da sie keinen fand, griff sie nach dem Kaminbesen, hob ihn hoch über ihre Schulter und ging auf ihn zu. »Sie schiefköpfiger miauender Hahn! Sind Sie so ungezogen, daß ich Sie wie einen Hund wegjagen muß? Scheren Sie sich fort von hier!«
Seine grünen Augen sprühten vor Humor, als sie ihre flugs ergriffene Waffe schwang. Elegant trat er beiseite, dabei grinste er in ihr vor Wut glühendes Gesicht. Ehe sie erneut ausholen konnte, sprang er flink zurück und stieg hurtig über den Zaun. Als er sich außerhalb ihrer Reichweite zu ihr umwandte, funkelte sie ihn über das Gatter an.
»Guten Abend, Miß Fleming.« Christopher schwang seinen Hut vor die Brust, bedachte sie mit einer höflichen Verneigung, und dann setzte er den Hut wieder munter auf den Kopf. Beinah flüchtig liebkosten seine Augen ihren bebenden Busen, bevor sie lächelnd ihrem zornigen Blick begegneten. »Bitte bemühen Sie sich, ärgerliche Wirrnisse zu meiden, meine Süße. Das nächste Mal bin ich vielleicht nicht zur Stelle.«
Der Besen flog durch die Luft; aber er wich ihm flink aus, und mit einem letzten lüsternen Seitenblick schlenderte er davon. Es dauerte eine lange Weile, bis Erienne ruhig genug wurde, um zu erkennen, daß das Gefühl der Einsamkeit von vorhin jetzt noch stärker geworden war.
Verstimmt lief sie hastig zurück zum Herdfeuer und starrte böse in die Flammen, bis ein kleiner lederner Gegenstand auf dem Ziegelsteinboden ihre Aufmerksamkeit erregte. Als sie sich niederbeugte, sah sie, daß es eine Männerbörse war, und dazu noch eine recht schwere. Sie drehte und wendete sie in ihren Händen, bis sie die Initialen CS auf der Oberfläche erkannte. Prickeln des Zorns lief ihr über den Rücken, und der Wunsch, die Geldkatze weit fortzuwerfen, wurde überwältigend. Doch Vorsicht gewann die Überhand. Es war eine reich gefüllte Börse, vermutete sie, und er würde zurückkommen, um sie zu holen. Sollte sie ihm den Beutel nicht vorweisen können, könnte er sie wegen des Verlusts anklagen, ja sogar wegen Diebstahls. Vielleicht war sie nicht zufällig aus seinem Rock gefallen; vielleicht war es seine Absicht, sie in Verlegenheit zu bringen. Bisher war sie schließlich das einzige Mitglied ihrer Familie, das bis jetzt von ihm noch nicht in den Schmutz gezogen worden war.
Erienne sah sich um, überlegte, wo sie das Ding verstecken könne, bis er zurückkam. Ganz gewiß wünschte sie nicht, daß ihr Vater es fände, vor allem, weil die Initialen so deutlich eingraviert waren und bewiesen, wer der Eigentümer war. Sie hörte
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