Eine Rose im Winter
Mutter dahingegangen ist. Hab' ich dir nicht alles gegeben, was ich konnte, Essen, um dir den Bauch zu füllen, ein Dach über'm Kopf, ab und zu ein neues Kleid, alles um dich glücklich zu machen?« Er ignorierte ihren spöttischen Ausdruck und fuhr fort. »Und dann hab' ich noch mein Bestes getan, um dir 'nen passenden Mann zu finden.«
»Passenden Mann? Einen Haufen zerbrechlicher Knochen oder einen, der zu feist war, um seine Zehen zu zählen? Eine sabbelnde Maus von einem Mann mit Klauenhänden? Oder einen Tattergreis, der schon so verkalkt ist, daß er sich selbst keine Frau mehr suchen kann? Passenden Ehemann, sagst du?« Sie lachte verächtlich. »Wohl eher eine passende Geldbörse für einen Mann, der sie dringend braucht.«
»Wie das auch immer sein mag«, stieß ihr Vater zwischen den Zähnen hervor, »jedenfalls bleibt deine Kammertür nachts verschlossen, so lange, bis du das Haus für immer verläßt. Und während des Tages gehst du ohne Farrells oder meine Begleitung nirgendwo hin … und wenn die Versteigerung kommt, werden wir mal seh'n, wie hoch der Preis ist, den du bringst.«
»Ich gehe jetzt auf mein Zimmer.« Erienne sprach mit ruhiger, nüchterner Stimme. »Ich werde auf meinem Zimmer bleiben, ganz gleich, ob du die Tür abschließt oder nicht; und ich werde zu deiner Versteigerung gehen. Doch ich verlange, daß du rechtzeitig alle Vorbereitungen triffst. Die Hochzeit muß einen Tag nach der Versteigerung stattfinden, denn ich werde in diesem Haus nur noch die eine Nacht nach dem Verkauf bleiben. Und wenn ich gehe, hast du mir nicht mehr das Geringste vorzuschreiben.«
Siebtes Kapitel
Eine halbe Stunde vor der festgesetzten Zeit stand Farrell vor der Wirtschaft und verkündete allen, die vorbeikamen: »Ihr Leute hört! Hört Leute! Gleich beginnt die Versteigerung um die Tochter des Bürgermeisters, Erienne. Hört! Hört! Kommt alle her. Ihr bietet um ihre Hand zur Ehe.«
Erienne ging es durch Mark und Bein, als sie die kläglichen Schreie ihres Bruders, die durch das offene Fenster ihres Schlafzimmers drangen, mit anhören mußte. In wenigen Minuten würde sie mit ihm auf dem Podest stehen, und sie hatte keine andere Wahl, als die sie anstarrenden Blicke der Männer über sich ergehen zu lassen. Die Menge vor der Wirtschaft wurde langsam immer größer. Viele waren ganz sicher nur aus Neugier, und nicht mit der Absicht teilzunehmen, gekommen. Nach diesem Tage würden die Dorfbewohner die Flemings sicher nicht so schnell vergessen. Ihr Vater hatte sicherlich sonst nichts getan, um berühmt zu werden, denn er hatte die meiste Zeit damit verbracht, seinen eigenen Vergnügungen nachzugehen, und wenig getan, sich als unvergesslicher Bürgermeister hervorzutun.
Erienne schloß das Fenster. Heute würde man sie verkaufen und morgen verheiraten. Sie hatte sich längst damit abgefunden. Ob sie sich mit ihrem Ehemann würde abfinden können oder nicht, war noch offen, doch sie betete inbrünstig, daß es nicht Smedley Goodfield oder Harford Newton sein würde.
Gedankenverloren strich sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Gegen den Wunsch ihres Vaters, ihr Haar frei herunterfallen zu lassen, hatte sie ihre schweren, schwarzen Zöpfe in den üblichen Knoten in die Rundung ihres Nackens gelegt. Es entsprach ihrer Stimmung, sich als alternde Jungfer darzustellen, doch das mißlang ihr vollkommen. Sie war von einer weichen und seltenen Schönheit, die ihr noch für viele Jahre bleiben würde. Die straff zurückgezogenen schwarzen Haare unterstrichen die Vollkommenheit ihrer Gesichtszüge.
Erienne warf noch einen Blick in ihr Schlafzimmer. Sie sah es mit den Augen einer Fremden. Die niedere Decke, der nackte Holzfußboden, die kleinen Fenster, die nur ganz wenig Licht einließen … alles sah verändert aus. Schon morgen würden diese Einzelheiten wie Asche ihrer Gedanken leicht wegzufegen sein. Sie würde ein neues Heim haben, hoffentlich unter glücklicheren Umständen, sie würde eine verheiratete Frau werden, vielleicht später sogar Mutter. Nie mehr wollte sie an die Hoffnungen und Träume, die sie als Mädchen in diesem Raum gehegt hatte, zurückdenken. Sie verließ das Zimmer und ging langsam die Treppe hinunter, wo ihr Vater auf sie wartete.
»Hier bist du endlich«, brummte er. »Dachte schon, ich muß kommen, um dich zu holen.«
»Es war kein Anlass, dich aufzuregen, Vater«, antwortete sie mit sanfter Stimme. »Ich sagte dir schon, ich gehe zu deiner Versteigerung.«
Verwirrt durch
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