Eine Rose im Winter
Überdecke zurück, unter der die Decken und die Spitzen an den Bettbezügen zum Vorschein kamen.
So unauffällig, wie es gekommen war, verließ das Mädchen wieder den Raum. Jetzt war sie in ihrem Elend wirklich ganz allein. Sie schritt im Zimmer auf und ab und betete um Kraft und Seelenruhe, um dem, was vor ihr lag? ins Auge sehen zu können, und daß ihr vielleicht ein Teil des erwarteten Schreckens erspart bleiben möge.
»Erienne …«
Überrascht hielt Erienne den Atem an und drehte sich blitz schnell dem Eindringling zu, der ihren Namen genannt hatte. Daß sie ihren Mann in der Türe stehen sah, gab ihr wenig Trost. Sie hatte ihn nicht eintreten gehört.
»Sie haben mich erschreckt.« Das Zittern in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Meine Entschuldigung, Madam. Sie schienen in Gedanken versunken zu sein.«
Erienne wurde plötzlich gewahr, daß ihr Nachthemd aus feinstem Gewebe und fast durchsichtig war, und zog es enger um sich, als er sich zur Seite wandte und zum Kamin ging. Sie hörte den Stuhl unter seinem Gewicht knarren und bemerkte erleichtert, daß er sich nicht gleich ihr zuwandte. Doch sie stand immer noch kurz vor dem Ausbruch eines hysterischen Anfalls und versuchte fieberhaft, ihre Fassung zurückzugewinnen.
»Ich hatte geglaubt, sie würden später kommen, Mylord«, sagte sie leise in aller Offenheit, »ich brauche noch etwas Zeit, um mich vorzubereiten.«
»Sie sind schön, so wie sie jetzt sind, meine Liebe.«
Sie machte ein paar Schritte und stand neben dem Stuhl, der seinem gegenüberstand. »Ich glaube, Sie verstehen, was ich meine, Mylord.« Als er dazu schwieg, holte sie tief Atem, um sich zu beruhigen und begann mutig: »Ich habe einiges von dem Unheil gehört, das ihre Familie erleiden mußte, und ich verstehe nicht, warum Sie mich zur Braut genommen haben, Sie verwöhnen mich mit den schönsten Kleidern und sprechen leichtherzig von Schönheit, während Sie in Ihrem eigenen Leben so viel Bitteres erdulden mußten.«
Er beugte sich nach vorn und stützte einen Arm auf sein Knie, als er zu ihr aufsah. »Finden Sie es ungewöhnlich, Madam, daß ich mich an Ihrer Schönheit erfreue? Halten Sie mich für so verdreht, daß ich Ihnen die feinsten Garderoben kaufen würde, nur um mich selbst zu quälen … oder Sie? Glauben Sie mir, nichts läge mir ferner. Genauso, wie jemand, auch wenn er kein Talent hat, das Meisterwerk eines Genies genießen kann, so erfreue ich mich an der Vollkommenheit Ihrer Erscheinung. Mein Körper mag von Narben überzogen sein, Madam, aber ich bin sicher nicht blind.« Er setzte sich in seinen Stuhl zurück und musterte den Griff seines Stockes. Dann fügte er hinzu: »Es gibt natürlich auch einen gewissen Stolz, den man auf den Besitz eines wertvollen Stückes hat.«
Sie hatte Angst, einen verborgenen Zorn, der in dem Mann schlummern mochte, leichtfertig zu wecken. Sie mußte damit rechnen, daß bei seiner wild aussehenden Erscheinung sich seine Gefühle als so heftig erweisen würden, daß sie nicht damit fertig werden konnte. Trotzdem konnte sie einem Anflug von Sarkasmus nicht widerstehen. »Sie scheinen sehr wohl in der Lage zu sein, Mylord, sich das leisten zu können, was Ihr Herz begehrt.«
»Ich habe genug, um mein Notwendigstes befriedigen zu können«, erwiderte er.
»Nach all dem, was Ihrer Familie zugestoßen ist, wäre da nicht die Rache der süßeste Preis? Sind Sie reich genug, um auch ihn zu erwerben?«
»Lassen Sie sich nicht täuschen, Madam.« Seine Stimme war ruhig und gedämpft. »Es gibt Rache, und es gibt Gerechtigkeit. Manchmal trifft sich beides in einem.«
Die nüchterne Logik dieser Erklärung ließ sie erschrecken. Verängstigt fragte sie weiter. »Und Ihre Rache … oder Gerechtigkeit … ist sie gegen mich … oder meine Familie gerichtet?«
Er begegnete ihrer Frage mit seiner eigenen. »Haben Sie mir etwas Böses angetan?«
»Wie hätte das möglich sein können. Heute ist der erste Tag, an dem ich Sie kenne.«
Sein Blick senkte sich wieder auf den Knauf seines Stockes. »Die Unschuldigen haben von mir nichts zu befürchten.«
Erienne machte ein paar Schritte zum Kamin, um sich ihre eiskalten Finger zu wärmen. Ihre Stimme wurde zu einem angespannten und verzweifelten Flüstern, als sie ihm antwortete. »Ich fühle mich wie ein Fuchs, den man in einer Falle gefangen hat. Wenn Sie mir nichts Böses wollen, warum haben Sie dann das getan? Warum haben Sie mich gekauft?«
Der maskierte Kopf hob sich, bis sie
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