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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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weggetretene Immaculate mit
dem Fuß an.
    “Auf! Auf!”
Hier draußen waren ihre Forderungen nicht mehr ganz so laut. Huldah hielt ihren
schnatternden Hexenstaat zwar im anderen Turm des alten Anwesens und kam so gut
wie nie nach draußen, aber der Lord war ja unterwegs und seine Späher überall.
Mit ihren Augen und Ohren, den spitzen Schnäbeln und scharfen Zähnen. Wenn sich
sonst niemand für sie interessierte, so würde die Befreiung des Mädchens in
jedem Fall Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Levika lief ein Angstschauer über den Rücken. Zu bewusst war ihr immer noch die
letzte große Folter, bei der Rukh einen seiner Männer in Form dutzender Ratten
auf sie gehetzt hatte. Nur Ameisen oder anderes Insekt würden sich zweifellos
schlimmer anfühlen als die unzähligen Bisse, aus denen sie hinterher blutend am
Boden zurückgeblieben war.
Das Mädchen rührte sich erst, als Levika ihr in die kaputte Nase zwickte.
Schmerz erreichte einen auf so ziemlich jeder Ebene, wenn er nur stark genug
war, konnte man selbst nicht weggetreten genug sein. Erneut murmelte sie
halbohnmächtig flehend den Namen ihrer Schwester, aber Levika war keine
Freundin von Wiederholungen. Tot blieb tot und mit einem Klotz am Bein wollte
sich doch niemand die eigene Flucht verderben.
Wind kam auf. Eiskalter Wind, der ihr in die dünnen, mottenzerfressenen Kleider
schnitt, deren Wechsel sich kaum lohnte, da sie für sich selbst sowieso nichts
besaß, was ihr traumatisch verunstaltetes Äußeres noch irgendwie verschönern
könnte.
Ungewöhnlich kalt also für diese Jahreszeit, in der doch eigentlich jede Nacht
warm sein müsste. In der Ferne glaubte Levika aber mit einem Mal Flügelschläge
und das Donnern von Hufschlägen zu hören. Der Lord.
Sogar die Jahreszeiten schienen vor ihm zu fliehen, wenn er von seiner wilden
Jagd heimkehrte und seinen Untergebenen Nahrung brachte. Er bediente sich
großzügig an den nicht weit entfernt wohnenden Dörflern, die nur selten einmal
einen der ihren mit ihren schmächtigen Fackeln, Kruzifixen, Litaneien oder
Mistforken zu Tode bringen konnten. Von den großen Kriegern ihrer Feinde hatten
diese Leute zum Glück des Lords wahrscheinlich noch nie etwas gehört und
umgekehrt auch nicht. Das Dorf würde ausgelöscht sein, bevor die Immaculates es
überhaupt bemerkten und retten konnten.
In ihrer nun wieder aufbrandenden Not biss sich Levika ins eigene Handgelenk,
um die Befreite doch noch auf den Weg zu bringen. Das Mädchen hatte wirklich
das Tempo einer lahmen Schnecke. Verständlich, wenn man bedachte, was sie bis
eben über eine lange Zeit nebst Schwangerschaft hatte durchmachen müssen, aber
Levika sparte sich ihr Mitleid. Mit ihr würde dies auch keiner haben.
    “Rasch
jetzt!”
Das Mädchen klammerte sich wie eine Verdurstende an ihr Handgelenk und Levika,
deren Hunger sich beim Geruch des eigenen Blutes wie ein Ungeheuer in ihr regte
und sich ohne Aussicht auf Linderung hemmungslos verstärkte, knurrte gequält
auf. Levikas grässliche Fangzähne schossen hervor und ihre Augen begannen im
selben Moment zu glühen wie die des Mädchens, das erstaunlich schnell Kraft aus
ihrem Elend schöpfte und immer gieriger trank. Levika schlug nach ihrem Kopf
und nach zwei Treffern ließ das Mädchen endlich von ihr ab.
Sie war wirklich stark. Kein Wunder, das Lucretius so viel Verlangen nach ihr
gehabt hatte. Sie war all das, was Levika niemals mehr sein würde und auch für
die Frau des Lords selbst mit dem größten Aufwand unerreichbar blieb. Blendend
schön, außergewöhnlich stark und von heute an wieder in Freiheit und absoluter
Unabhängigkeit.
    “Lauft!”,
forderte Levika sie ein letztes Mal auf, als sich das Mädchen endlich auf alle
Viere quälte und auf diese Weise ein Stück vorwärts schleppte, bevor sie sich
mühsam erneut auf die wackeligen Beine hievte, die sofort wieder einzuknicken
drohten.
“Und schaut nicht zurück. Hier ist kein Platz für Euch und wenn Ihr klug genug
seid, kommt Ihr nicht wieder, um nach den Überresten Eurer Schwester zu suchen.
Sie ist tot und verloren. Ihr seid auf Euch selbst gestellt. Findet Euren Platz
im Leben und zieht Euren Bastard dort groß, wo der Lord ihn nicht findet. -
Lebt wohl.”
Wenigstens ein nettes Wort des Abschieds, der allerdings nicht mehr als
ironische Floskel für sie beide sein dürfte. Weder das entkommene Mädchen noch
Levika würden jemals wohl leben. Sollte sie tatsächlich in Sicherheit gelangen,
was Levika doch stark bezweifelte, wenn

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