Eine Sacerda auf Abwegen
war?
“Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.”, murmelte er weiter,
wobei er nun Juno und nicht mehr das Orakel ansah. Er hatte nicht die Kraft
oder die Macht, sie zu irgendetwas zu überzeugen. Das war Junos Part. Sein Weg,
die Dinge anzugehen, hatte sie schließlich bis hierher geführt. Gerade noch mal
so dem Tod entronnen.
“Vielleicht will sie immer noch sterben. Sie hat sehr gelitten in den letzten
Jahren. Sie wollte nicht einmal bei ihrer Tochter bleiben. Ich musste sie irgendwie
überlisten. Deswegen nahm ich ihr Blut, nachdem wir…” Eine leichte Verlegenheit
ergriff ihn, als er dem Orakel unnötigerweise zu erklären versuchte, dass Juno
und er sich geliebt hatten.
“Es war für mich die einzige Möglichkeit. Es ist mir unmöglich, sie zu
durchschauen. Sie ist so viel geschickter und intelligenter. Ich könnte sie
zwingen, aber sie ist so… zerbrechlich. Das, was ihr angetan wurde, muss
schrecklich gewesen sein. Was ist, wenn ich sie daran erinnere? Ich habe ihr
geschworen, ihr nicht wehzutun. -Vielleicht ist es einfach besser, wenn ich
gehe?”
Letzteres formulierte er wie eine Frage, weil er gerade gut einen ehrlichen Rat
gebrauchen konnte, da er in dieser Welt für diesen Augenblick mit seinem Latein
am Ende war.
Das Orakel
musste sich ein Lächeln verbeißen, als der Junge überraschende Einsicht zeigte
und ihren Rat suchte. Wie lange diese Gleichmut halten würde, wenn die Nuntia
aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht war? Keine fünf Sekunden , wollte die
weise Frau annehmen.
„Hast du dich nicht gefragt, warum eine Frau für dich in den Tod gehen möchte,
der es die letzten Jahre offen stand, sich auf vielerlei Arten das Leben zu
nehmen? Sie hätte nicht extra auf dich warten müssen, mit dessen Existenz sie
doch niemals gerechnet hat. Sie trug den Skarabäus nicht mehr bei sich, hat vor
Jahren verlauten lassen, dass sie ihn in den Fluten des Atlantiks versinken
ließ. Dabei war er bei Sidonie, ihrer Tochter. Die Verbindung war so fein wie
ein Seidenfaden, doch sie hielt. Die Priesterinnen des Baal zeichnet nicht nur
der Drang nach Freiheit aus, sie lieben das Leben… Sie stehen immer auf der
Sonnenseite und finden schließlich dahin zurück, selbst wenn sie zuvor durch
die Hölle gegangen sind. Ich denke, es waren nicht die Erfahrungen in der
Gefangenschaft, die Juno so verbittert haben… Sie fühlte sich ihrer
Entscheidungsfreiheit beraubt, als man sie umwandelte. Sie wusste nicht, dass
sie zum Teil ein Vampir war. Sie wurde zu dem, was sie angegriffen und gequält
hat… Nach ihrer Umwandlung sind Sacerdas , wie sie genannt werden, noch
einige Monate lang mehr Mensch als Vampir. Zu dieser Zeit traf Juno den
sterblichen Mann, den sie hätte erwählen können… Sidonies Vater. Der Käfer
reagierte, aber es war für Juno zu spät. Damals waren die Regeln noch strenger,
was den Umgang mit Sterblichen betrifft… Es hatten sich schon zu viele in Lost
Souls umwandeln lassen und ihren Schritt lange Zeit später zutiefst bereut.
Juno hat die Beziehung beendet, ohne jemanden darüber aufzuklären, dass sie ein
Kind erwartete. Ich denke, die Trennung von dem Kind war noch schlimmer als der
Verlust des Mannes, auch wenn es ihr nicht bewusst gewesen ist… Zu der Zeit war
sie einfach nicht fähig, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Und danach
stürzte sie sich mit Feuereifer in ihre Aufgabe als Nuntia. Manasses hat alles
in seiner Macht stehenden getan, um einen Ausweg für Juno zu finden, allerdings
konnte eben nur ein Mann diesen eisigen Panzer durchdringen, mit dem
Juno ihr Herz umgab und das bist du, Murchadh. Lass dir gesagt sein, dass die
Priesterinnen des Baal zwar ihren Soulmate erwählen und ihn an sich binden,
dies aber kaum eine Sache ist, der man sich einfach entziehen kann… Nicht, wenn
Blut getauscht wurde. Juno hat ein Mal erfahren, was der Verlust eines solchen
Menschen bedeutet, mit dem sie nicht durch Blut gebunden war. Was glaubst du,
wäre mit ihr passiert, wenn du tatsächlich dem Tod geweiht gewesen wärest?“
Das Orakel
erhob sich von dem Stuhl und stellte ihn zurück an seinen Platz, bevor sie dem
Pärchen auf dem Bett ein gütiges Lächeln schenkte.
„Du hast den Anfang gemacht, indem du diesen Bastard in Stücke gerissen hast…
Entschuldige den Ausdruck. Juno selbst hat den Aryaner getötet, der sie damals
an den Lord ausgeliefert hat, um sich bei ihm beliebt zu machen. Das wird wie
eine Befreiung wirken und eine Heilung in Gang setzen, die du
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