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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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was sie
wollte, und das nächste Getränk auf seine Rechnung gehen würde. Danach
spazierte er friedlich davon, als würden Männer für gewöhnlich nicht etwas zum
Ausgleich erwarten, wenn sie einer Frau einen Drink spendierten.
    „Was darf es
sein, Lady?“, fragte der Richard-Gere-Look-Alike mit einem verschmitzten
Lächeln, weil er den anderen Gast und seine billige Anmach-Nummer
offensichtlich kannte.
    „Armagnac…
1962… pur!“, bestellte Juno, ohne eine Miene zu verziehen, wobei sie eine
Zigarette aus ihrem Etui fischte und sie kurz auf dem Deckel zurecht klopfte,
bevor sie sie auf die Zigarettenspitze steckte.
    Als der
Barkeeper mit dem Schwenker mit dem wahrlich wertvollen Inhalt auf sie zukam,
schüttelte Juno den Kopf und wies mit einem kurzen Zucken ihres Kinns in die
Richtung des jungen Mannes im Armani-Anzug, der immer noch nichts zu Trinken
bestellt hatte.
Juno hatte nicht vor, auch nur einen Schluck von diesem Mann anzunehmen, der
meinte, dass Frauen käuflich wären. Sie war frei und wählte selbst. Sie hatte
ihre Gunst niemals leichtfertig verschenkt, auch wenn sie nach außen hin den
Eindruck erweckt hatte. Dafür achtete sie sich selbst zu sehr, auch wenn sie im
Grunde nur ein dummes Mädchen vom Lande war. Richard Gere stutzte und bedachte
sie mit einem fragenden Blick, weil man so einen guten Tropfen schließlich
nicht alle Jahre zu trinken bekam. Ihr Geburtsjahr. Es war bestimmt ein
herausragender Cognac, der seine guten 300 Dollar kosten würde. Pro Glas,
versteht sich.
Juno nickte bestätigend und rollte die Zigarettenspitze nachdenklich zwischen
Daumen und Zeigefinger, ohne den Mann anzusehen, den sie gerade so großzügig
beschenkte. Es war ja nicht persönlich gemeint. Er hatte nur so fehl am Platz
geklungen, dass sie sich an Bertrand erinnert fühlte, als sie ihm zum ersten
Mal begegnet war. Dafür allein hatte sich der Junge einen guten Schluck
verdient.
Juno seufzte leise und wünschte sich mit einem Mal, sie könnte auf ihrer
Aussichtsplattform ihres Leuchtturmes stehen und dem Wechsel der Gezeiten
zusehen. Das würde vielleicht bewirken, dass die alten Wunden, die man gerade
frisch aufgerissen hatte, sich wieder mit einer neuen Schutzschicht überzogen.
Malcolm Lancaster hatte beinahe ganze Arbeit geleistet, ohne es zu ahnen.
    . . .
Chadh sah überall hin. Nur nicht in Richtung der fremden Frau. Er oder das Tier
in ihm spürte instinktiv, dass es besser war, sie in Ruhe zu lassen. Sie war
keine gewöhnliche Frau und solange er nicht wusste, was sie ausmachte,
eventuell sogar gefährlich für ihn. Ein falscher Schritt und er baumelte über
den Abgrund. In dieser Lage hatte er sich so oft befunden, dass er Problemen im
Grunde immer aus dem Weg ging. Es sei denn, er war der Verursacher. Dieses
komische Gefühl wurde ihm prompt bestätigt, als ein weiterer Gast an der Bar
auftauchte und sich an die Frau im Anzug ranmachte. Chadh hielt ihn zuerst für
einen Bekannten oder Liebhaber. Ein Spiel vielleicht. Manche Paare taten das,
um ihr Eheleben aufzuwerten. Man schlüpfte in verschiedene Rollen, war einen
Abend lang jemand anders und konnte Dinge tun, die man sonst nie tun würde oder
wollte. Das hatte er mal in einer weggeworfenen Ratgeber-Zeitschrift gelesen.
Er hatte sich oft gewünscht, ein anderer zu sein, aber er tat trotzdem Sachen,
die andere nie machten oder machen würden. Man musste eben sehen, wie man im
Leben zurechtkam. Er hatte es auf die harte Tour gelernt und nie etwas
geschenkt bekommen.
    Die Reaktion
der Frau ließ darauf schließen, dass sie den Mann weder kannte noch attraktiv
fand, was Chadh bei einem weiteren Seitenblick auf den Kerl auch nicht für
möglich gehalten hatte. Wobei solche Typen gern mal einen Sechser im Lotto
kassierten. Denn sie hatten Geld. Genug davon, um sich Frauen wie Juno mit
Leichtigkeit gefügig zu machen. Er nahm ihr in seinem menschlichen Übereifer
den Hut fort. Die blonden Wellen, die sich daraufhin in einer langen,
fließenden Kaskade bis auf den Rand des Hockers ergossen, blendeten Chadh. Nun
konnte er nicht mehr anders, als auf ihren Rücken zu starren. Sein Blick wurde
dort festgehalten wie von einem Magneten. Ihr Haar weckte in ihm eine Sehnsucht,
die er nie hatte festmachen können. Jedes Mal, wenn er diese Farbe sah, dieses
goldene Leuchtfeuer, das so viel wärmer war als das kalte Weißblond seines
Schopfes, fühlte er sich, als würde ihm ein Stück seiner Seele fehlen. Als wäre
er niemals ganz geworden, weil ihm etwas

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