Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.
Abwehr der äußeren Gefahr einsetzen, für die Bewachung der Gefangenen übrigbliebe. So befahl er, sämtliche Gefangene aus allen Ecken des Gefängnisses mit Hieben, Schlägen mit dem Gewehrlauf und mit Ketten zusammenzutreiben und zu zwingen, sich in den Massengraben hinunterzulassen. »Es war ihm ein leichtes, sie durch die Gänge, über die Treppen und immer weiter zu stoßen, bis er sie alle in einem schmalen Graben eingeschlossen hatte. Sie waren einhundertfünfundsechzig an der Zahl, und der Graben wurde zu einem wuselnden Fleischhaufen.« Soweit Marullo. Ich denke aber, daß es kein einfaches Unternehmen war, die Lebenslänglichen angesichts ihres Erregungszustands dort zusammenzupferchen (was die Zahl der Eingeschlossenen angeht, werden es wahrscheinlich ein bis zwei Dutzend weniger gewesen sein). Sobald die Lebenslänglichen sicher weggeschlossen waren, befahl Sarzana den Soldaten, über die Treppe im Innern des Zylinders auf die Terrasse zu steigen und dann die Treppe durch die obere und die untere Falltür abzuschotten; damit sollte ein Angriff von rücklings vermieden werden, falls die Sträflinge es wider Erwarten doch schaffen sollten, über den Rand des Grabens zu steigen.
»Die Treppe wurde abgeriegelt«, schrieb auch Marullo, und in demselben Maße wie er sich nicht über den Zweck des gemauerten Zylinders im klaren war, war ihm auch jetzt nicht bewußt, daß die Abschottung des Treppenraums bedeutete, die einzige Luftzufuhr des Massengrabens abzuschneiden. An diesem Punkt fielen die ersten Gewehrschüsse aus der Menge, und ein Gegenschlag erwies sich für die Soldaten sogleich als sehr schwierig: Der Festungsturm hatte keine Zinnen, hinter denen man sich hätte verstecken können; von der Terrasse aus zu schießen, bedeutete deshalb, einige Sekunden lang in erhobener Haltung, nur halb von der Balustrade ringsum abgeschirmt, dem gegnerischen Feuer ausgesetzt zu sein. Die Schießerei, die weder auf der einen noch auf der anderen Seite zu nennenswerten Ergebnissen führte, zog sich müde dahin; doch sie dauerte lange genug, um den Gefangenen im Graben jegliche Atemluft zu nehmen.
Wenn der Rais, der Anführer der Thunfischfischer, annehmen darf, daß alle Thunfische den obligatorischen Weg durch die Netzkammern der tonnàra gemacht haben, und berechnet hat, wie viele von ihnen in die Todeskammer gelangt sind – so wird das letzte Fangnetz genannt –, gibt er den Befehl zum Abschlachten. Mit Rufen geben sich die Fischer, die auf den Booten senkrecht zu den vier Außenflächen des Netzes stehen, den Rhythmus vor und gewinnen Kraft, um das Netz hochzuheben. Nach und nach kommen die Thunfische in dem sich hebenden Netz nach oben. Die Tiere wissen nicht, wie ihnen geschieht: Das Wasser geht immer mehr zurück, sie begreifen nicht, welche Kraft es ist, die sie, ob sie wollen oder nicht, an die Oberfläche treibt. Vor Schreck schwimmen sie heftig erregt hin und her, stürzen sich in eine sinnlose Flucht, peitschen das Wasser wild mit der Schwanzflosse, rammen den Kopf gegen alles, was im Wege ist. Innerhalb kürzester Zeit sehen die Fischer, wie das Meer sich verdichtet, und wo vorher Salzwasser war, glänzen jetzt die Schuppen der Rücken- und Schwanzflossen sowie der Seiten in der Sonne, und die zuckenden Bewegungen verraten immer größere Panik. Die Schwächsten der Fische lassen langsam von dem Kampf ab, fügen sich in ihr Schicksal, drehen sich auf den Rücken und bieten der Harpune das Weiße ihres Bauches dar. Doch die Harpunen und Dreizacke der tonnaroti sind nicht dazu da, wie man glauben mag, die Fische zu töten, sondern sie in die Boote zu ziehen, wenn sie halbtot und ihres natürlichen Elements beraubt, nach Luft schnappen, wenn Herz, Leber und Bauch aufplatzen, als wären hundert Messerschneiden in ihren Leib gedrungen.
Anders als die Thunfische, die schweigend vor Schreck sterben, schreien die Eingeschlossenen voller Verzweiflung. Sarzana hört, daß der Ton der Schreie sich geändert hat, und schickt zwei Soldaten, um nachzusehen, was davor sich geht. Die Soldaten erstatten ihm Bericht und sagen ihm auch, daß das Gitter unter dem Druck der Häftlinge, die vor Sauerstoffmangel buchstäblich den Verstand verloren haben, nachzugeben droht. Der Hauptmann begreift nun, daß es keinen Ausweg mehr gibt: Sie jetzt aus dem Graben herauszulassen, wäre dasselbe, wie hundert wild gewordene Katzen aus einem Sack in einen Raum zu entlassen – das mindeste, was sie tun würden, wäre, ihm ins
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