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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Korps mit fünftausend Mann unter der Befehlsgewalt des Marschalls De Sauget an Land. Viele der Aufrührer flüchteten sich beim Anblick dieses bedrohlichen Aufzugs an Bord des Kriegsschiffs Bulldog (ein Name, ein Programm), das den Engländern gehörte, die aus ureigenen Gründen bei der sizilianischen Revolution mitmischten. Doch der Marschall De Sauget machte vor den Stadttoren Palermos halt und gab aller Welt zu verstehen, daß er nicht nur keine Eile hatte, sondern von dem Enderfolg des Unternehmens nicht einmal überzeugt war; wie er seinem König schrieb, gründete sein Verhalten auf der simplen Überlegung, daß die Aufständischen bettelarme Verzweifelte waren und nichts zu verlieren hatten, während seine Soldaten an eine gute Behandlung gewöhnt waren und sich ohne Tabak sehr unbehaglich fühlten. Während das übrige Sizilien aufbegehrte, gab es Verhandlungen und Versuche, kleinere Zugeständnisse zu machen, was letztendlich den Revolutionären neuen Mut einflößte.
     Zwei weitere bedeutende Vorkommnisse gab es am vierundzwanzigsten. De Majo verließ den Königspalast mit seinen Truppen und einem Gefolge schreiender und weinender Frauen und Kinder, um zu De Sauget vor den Toren Palermos vorzustoßen. Der Marsch war verheerend. Als sie vor Ort »mehr tot als lebendig eintrafen« (so schreibt Harold Acton in seinem Buch The Last Bourbons of Naples (Die letzten Bourbonen von Neapel, dem ich diese Notizen entnehme), erfuhren sie, daß sich der Marschall auf dem Rückzug nach Messina befand. Der gute, brave De Majo ließ sich diesmal jedoch von der Nervosität packen: Er beschloß, sich als seines Amts ledig zu betrachten, und bestieg das Schiff nach Neapel. Immer noch am vierundzwanzigsten schlossen sich die vier Revolutionskomitees zu einem zusammen: Dessen Vorsitzender wurde der siebzigjährige Ruggero Settimo, den Posten des Generalsekretärs erhielt Mariano Stabile.

    Wenn sowohl De Majo als auch die bourbonischen Oberkommandos dem Manifest von Francesco Bagnasco keinerlei Gehör geschenkt hatten, konnte Emanuele Sarzana, der die Festung Torre in Borgata Molo unter seiner Befehlsgewalt hatte, das noch tausendmal weniger tun. Dort sah alles ruhig aus, den Revolutionsknall hatte man nicht gehört. Marullo schrieb: »Kein Haßfeuer loderte im Herzen der guten und friedlichen Bürger. Sie hatten von Freiheit reden gehört, doch von dieser faszinierenden Göttin begriffen sie nichts weiter als den Reiz des Neuen: Sie, die Ehrlichen, Arbeitsamen, Gesetzestreuen, wußten nichts von der Tyrannei, von der sie nicht bemerkt und deshalb auch nicht überrannt worden waren.« Das kann schon sein, doch Borgata Molo war ein Küstenort, und die ganze Welt weiß, daß ein guter Matrose, bevor er die Segel hißt, ganz genau berechnen muß, woher der Wind weht und ob dieser Wind trägt. Im Dorf gab es jedoch mindestens zweihundert Personen, die von der »faszinierenden Göttin« Freiheit eine überaus klare Vorstellung hatten, und diese »Göttin« besaß nicht »den Reiz des Neuen«, ganz im Gegenteil – alles, was ihr anhaftete, war alt und bekannt: die Familie, die man seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte; die fast vergessenen Gesichter der Freunde; die Beschaulichkeit eines Spaziergangs über die Felder ohne Kugel ums Fußgelenk; der Duft eines Frauenkörpers. Das Auge der Tyrannei hatte sie sehr wohl bemerkt, zumindest waren sie fest davon überzeugt, denn wie allgemein bekannt, ist jeder Häftling sofort bei der Hand, sich als unschuldiges Opfer von Machtspielen zu betrachten.
     An dieser Stelle muß ich auf das zurückgreifen, was Leonardo Sciascia die »Weitsichtigkeit des Gedächtnisses« nennt, natürlich nicht des meinigen, sondern dessen meiner Großmutter väterlicherseits, Carolina Camilleri; sie erblickte rund zehn Jahre nach jenen Ereignissen das Licht der Welt und hatte als kleines Mädchen immer wieder aus dem Mund der Mutter davon gehört. Marullo aber – der sich auf ein verschwörerisches Schweigen versteift, hinter das wir zu kommen versuchen – läßt sich über das Massaker im TorreGefängnis nur sehr vage und lückenhaft aus und legt – salopp gesagt – sogar falsche Spuren.
     Die Revolte der Bewohner von Borgata im Jahre 1848 – immer noch laut Marullo – »erwies sich als ein Sturm im Wasserglas, als ein wirres Geschrei von ›Nieder mit!‹ und ›Es lebe!‹«. Das stimmt. Doch es genügte, daß die Mannschaft der Zwangsarbeiter, die für die landwirtschaftlichen Arbeiten

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