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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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Zimmern. Er bereitete kleine Teller mit Karotten und Dips als Ergänzung zu den Fischstäbchen vor, die wir fast jeden Abend aßen. Er klopfte ab und zu an unsere Türen, und wir machten dann verärgert auf: »Dad! Was ist denn? Ich telefoniere gerade!«
    Jahrelang hatte unser Dad überhaupt keine Verabredungen. Anfangs trauerte er einfach um unsere Mom und um alles, was er sich von seinem Leben erwartet hatte. Und später musste er dann wohl entschieden haben, diesen Aspekt seines Lebens zu verdrängen. Unterrichten und zwei Mädchen großziehen war genug. Wir rechneten es ihm wirklich nicht hoch genug an. Wir gingen davon aus, dass er einfach vergessen hatte, wie man Frauen kennenlernte – oder möglicherweise gar, wie man mit ihnen redete. Wir gingen davon aus, dass er allein war, weil ihm keine andere Wahl blieb.
    Die Eltern von so vielen meiner Freunde hatten Affären oder hintergingen einander auf andere Weise in Ehen, die mit der Zeit völlig in die Brüche gingen. Alle wussten, dass meine Eltern eine gute Ehe führten. Sie passten gut zueinander und brachten jeweils das Beste im anderen zum Vorschein. Sie hatten es hingekriegt. In den ersten Jahren scharwenzelten geschiedene Damen mit protzigem Schmuck um unseren Vater herum und hinterließen Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Wenn wir – egal, welche von uns beiden – diese Nachrichten abhörten, löschten wir sie einfach. Uns war unbegreiflich, für wen sich diese Frauen hielten. Oder was in aller Welt sie in unserem Dad sahen.
    Als wir erst einmal an der Uni waren, hatte mein Dad die eine oder andere Freundin. Ich wusste, dass da Frauen waren, mit denen er »ins Kino ging«. Doch wir lernten sie nie kennen. Er sprach nie von ihnen. Und wir verschwendeten nicht allzu viele Gedanken daran. Er war unser Dad, er war ein guter Mann, er hatte schlechte Karten gehabt – und viel mehr ließ sich zu dem Thema nicht sagen. Ich ging wohl davon aus, dass er es uns erzählen würde, wenn es da jemanden Erzählenswertes gäbe.
    Deshalb fand ich es nicht merkwürdig, als er Thanksgiving mit der Strasskönigin aufkreuzte. Ich mochte ihn und wünschte ihm das Beste, doch wir hatten es nie geschafft, die Kluft zwischen uns zu schließen. Für mich war er mehr wie ein exzentrischer alter Onkel als ein Vater, auch wenn Mackie da anderer Meinung war.
    »Er ist alles, was wir haben«, sagte sie immer wieder, wenn sie ihm eine Suppe vorbeibrachte oder ihn zum Scrabble einlud.
    Was mich an der Verlobung schockierte, war nicht, dass er an diesen Punkt gelangt war, ohne es uns zu erzählen, sondern dass er überhaupt an diesen Punkt gelangt war. Ich dachte, er hätte nicht nur die Liebe aufgegeben, sondern die Menschen im Allgemeinen. Das war die eigentliche Überraschung: Unter all den Büchern war ein Herz vergraben. Und es schlug noch.
    Im Restaurant zog mein Dad Dixies Stuhl zurück, und sie setzte sich, während wir Übrigen überlegten, ob das gelbe Zuckerwerk auf ihrem Kopf eine Perücke war oder eine Mischung aus verrückter Färberei und einer Dose Haarspray.
    Mackie fuhr fort: »Du hast diese Person nie zuvor auch nur erwähnt.«
    Mein Dad war ziemlich sanftmütig. »Wir sind schon eine Zeit lang zusammen«, sagte er, als wäre das eine gute Erklärung. Dann machte er alle miteinander bekannt.
    Clive und ich waren bereit mitzuspielen, und sei es nur, damit wir endlich unser Essen bestellen konnten. Doch Mackie wollte sich nicht einfach so geschlagen geben. Das spürte ich. Mein Dad spürte es auch. Er griff nach der Speisekarte und sagte dann, wie um das Thema zu beenden: »Wer möchte Moo shu?«
    »Ich wusste noch nicht einmal, dass du überhaupt mit jemandem zusammen bist«, meinte Mackie unbeirrt. Sie sah mich an. »Hast du gewusst, dass er mit jemandem zusammen ist?«
    Ich schüttelte den Kopf, aber kaum merklich, als würde ich so weniger Öl in ihr Feuer gießen.
    Mein Dad war ganz versessen auf ein angenehmes Es sen. Als die Kellnerin kam, bestellte er für den ganzen Tisch, sogar die einzelnen Getränke. Dann kam er auf das aktuelle Thema zurück – wobei er die Hand auf Dixies legte, als er erneut ansetzte. »Wir haben quasi erst einmal eine Beziehung auf Probe gehabt«, sagte er, »und sie hat die Probe bestanden.«
    Kurzzeitig herrschte Schweigen. Da fiel mir ein: »Kommst du also aus Houston?«
    »Nein.« Dixie schüttelte den Kopf. »Ich komme aus dem Norden.« Dann wurde sie genauer: »Aus Cleveland.«
    Das brachte uns ein wenig aus dem Konzept.

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