Eine Schwester zum Glück
transfettfrei waren, ohne künstliche Farbstoffe, Hormone und Weichmacher. Sie würden mich im Fitnessstudio anmelden (ganz ohne Druck!), mir einen Feng- Shui-Kieselbrunnen und einen Geburtsball kaufen, der sich zu einem ergonomischen Schreibtischstuhl umfunktionieren ließ.
Sie sagten, ich müsste mir vor der Geburt des Babys keine neue Stelle suchen. Auf diese Weise stünden mir später sämtliche Optionen offen. Ich könnte meinen Plan durchziehen, nach New York zurückkehren und mein fabelhaftes Ex-Leben wieder aufnehmen, oder ich könnte auf sie hören und »bitte, bitte, bitte in Texas bleiben«. Es sprang für jeden etwas dabei heraus. Sie bekamen ein Baby, und ich bekam einen vierzig Wochen langen, alle Spesen inklusive, Gesundheit-und-Wellness-orientierten, baby-tastischen Urlaub. Ein Kinderspiel.
Mackies alter Fruchtbarkeitsspezialist überwies uns an eine neue In-vitro-Spezialistin, deren Praxis sich im obersten Stockwerk des höchsten Gebäudes im Ärztezentrum befand, und wir gingen dazu über, sie Dr. Penthouse zu nennen. Sie hatte hochgezogene Schultern und eine Frisur wie Dorothy Hamill.
»Ich liebe sie«, sagte ich nach unserem Vorstellungstermin bei ihr. »Sie ist ja so retro .«
»Du weißt schon, dass da ein Eiskunstlaufröckchen unter dem Arztkittel steckt«, sagte Mackie.
Dann gingen wir aus, um ein letztes Mal Chili con Queso zu essen und Margaritas zu trinken. Der Abend läutete auch den Abschied von Kaffee ein, von Aufschnitt, von Sushi und von Shampoo mit Natriumlaurylethersulfat oder Natriumlaurylsulfat, da wir beide nicht mehr wussten, was schlimmer war. Von ein paar Dingen musste ich mich verabschieden: Schokolade, Haarspray, zuckerfreiem Kaugummi, Zahnpasta mit Fluorid und Deo (auch wenn ich eines in Reisegröße in meiner Schublade mit Unterwäsche versteckte). Mackie erbot sich, aus Solidarität ebenfalls auf diese Dinge zu verzichten, was ich ausgesprochen rührend fand. Dabei vermisste ich noch gar nichts davon.
Bei unserem ersten offiziellen Termin hielt Dr. Penthouse uns eine strenge Predigt darüber, worauf wir uns da einließen. Sie ließ uns wissen, dass es in ihrer Verantwortung lag, nicht nur unser körperliches Wohlbefinden zu sichern, sondern auch unser emotionales. Sie gab uns langwierige Fragebogen mit Punkten wie »Denken Sie jemals an den Tod und das Sterben?« und »Ist es Ihnen je schwergefallen, glücklich zu bleiben?« und »Finden Sie es schwierig loszulassen?« Sie gab uns auch Karten für unsere Handtaschen mit den Anzeichen einer Depression. »Wut«, »Groll«, »sich überessen oder Appetitlosigkeit«, »zu viel oder zu wenig schlafen«, »Ängste oder ein Gefühl von Wertlosigkeit«, »Lethargie«, »übermäßige Sorgen«, »Wutausbrüche« und »den Sinn des Ganzen hinterfragen« standen auf der Liste. Mackie überflog sie und steckte die Karte mit den Worten »Klingt nach einem ganz normalen Tag« in ihre Tasche.
Dr. Penthouse hatte uns gewarnt, dass der Befruchtungs prozess viele Monate dauern könnte, ein Versuch nach dem anderen könnte notwendig sein, und hatte zudem erklärt, ihr sei »nicht wohl dabei«, dass meine erste Schwangerschaft eine Leihmutterschaft sei. »Normalerweise erklären Frauen sich dazu bereit, nachdem sie ihre eigenen Kinder bekommen haben«, erklärte sie.
»Normalerweise lassen Frauen sich dafür anheuern«, stellte ich fest. »Aber wir sind in einer ganz anderen Situation.«
»Sarah macht es aus Liebe«, fügte Mackie hinzu und umarmte mich kurz.
»Aus Liebe und Bewunderung«, verbesserte ich sie.
»Na schön.« Dr. P. zuckte mit den Schultern.
Dank der ganzen neuen Technik war die Erfolgsquote ziemlich hoch, doch wir durften nicht zu viel erwarten und mussten uns auf eine emotional schwierige Zeit gefasst machen. Dr. P. führte Wörter wie »Spannungen« und »Groll« und »Angst« im Mund. Sie war definitiv eine Sorgentante, und wir beschlossen, ihr die Leitung der Worst-Case-Szenario-Abteilung zu übertragen.
Wir hingegen empfanden nichts als Dankbarkeit. Wir nahmen Hormone ein, um für den Embryotransfer in Einklang zu sein, und schluckten pränatale Vitamine, als wären es M&M ’s. Wir hatten etwas zu tun, was um einiges besser war als das Nichts von vorher. Wir gingen voll und ganz in dem Projekt auf. Es wurde genauso eine schwesterliche Aktivität wie das Planen einer Hochzeit oder das Veranstalten einer Babyparty. Aus uns wurde ein Schwangerenverein für zwei, und rückblickend muss man sagen, dass wir Clive
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