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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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wissen, sondern sich überraschen lassen wollten. Auch wenn es bei Zwillingen so viele Ultraschall- und andere Untersuchungen gibt, dass es wirklich schwer ist, es nicht herauszufinden. »Sagen Sie es mir nicht!«, wurde quasi Mackies Begrüßung bei jedem Arzttermin. Sie hielt sich dann die Augen zu und sagte: »Wir wollen uns überraschen lassen.« Gegen Ende nahm das ganze Theater ziemlich übertriebene Ausmaße an, und ich kann mich noch erinnern, wie sich eines Tages mein Blick und der der Arzthelferin trafen, als uns der gleiche Gedanke durch den Kopf ging: Eieiei .
    Ich wusste es natürlich. Ich wusste es, sobald man es wissen konnte, und ich war froh darüber. Es half mir bei dem Gefühl, dass die Babys ein wunderbares Geschenk waren, das ich für Mackie und Clive produzierte – etwas, wofür ich verantwortlich war. Ab und zu hielt Mackie in ihrem Tun inne, drehte sich zu mir und sagte: »Okay, sag’s mir.« Aber ich tat es nie.
    Bei diesem ersten Termin lag das alles jedoch noch in weiter Ferne. Damals waren Mackie und ich noch im Einklang miteinander, tappten gleichermaßen im Dunkeln. Mackie starrte die weißen Formen auf dem Bildschirm an. »Es sind Schwestern«, sagte sie. »Das sehe ich. Sie sehen total nach Mädchen aus.«
    »Mackie«, sagte ich. »Es sind Kleckse.«
    »Schwesternkleckse«, sagte sie, und dann klatschten wir ab.
    Auf halbem Weg zum Aufzug merkte Mackie, dass sie ihre Handtasche im Untersuchungszimmer liegen gelassen hatte. Ich wartete an der Rezeption, während sie zurücklief, um sie zu holen, und nach einer kleinen Pause nahmen die Sprechstundenhilfe und ich Blickkontakt auf. Dabei tätschelte ich meinen Bauch und lächelte.
    »Guter Besuch?«, fragte sie.
    Ich nickte. »Zwillinge.«
    »Wunderbar!«, sagte sie in entzücktem Tonfall. Aber dann wurde ihre Stimme ungefähr eine Oktave tiefer. »Ihrer Figur können Sie allerdings auf Nimmerwiedersehen sagen. Ich habe bei meiner Schwangerschaft sechsunddreißig Kilo zugenommen. Und glauben Sie kein Wort von wegen, Vitamin E würde Schwangerschaftsstreifen vorbeugen. Ich hatte einhundertundsieben.«
    »Sie haben sie gezählt?«
    Sie nickte. »Einhundertundsieben.«
    Ich lachte höflich und erlebte dann den letzten Augenblick eines Erkenntnisprozesses, der im Ultraschallzimmer eingesetzt hatte und seitdem stetig vorangeschritten war. Es war nicht der Gedanke, dass es kein Zurück mehr gab, sondern stattdessen der Moment, in dem mir klar wurde, dass es schon seit geraumer Zeit kein Zurück mehr gab. Mein Lächeln verblasste, bis ich merkte, dass die Sprechstundenhilfe auf eine Antwort wartete. Also tätschelte ich wieder meinen Bauch und sagte etwas wie: »Alles klar.«
    Ich war erleichtert, als ich Mackie um die Ecke biegen sah. Die Sprechstundenhilfe winkte kurz, als Mackie mich am Arm nahm und wir uns zum Gehen wandten.
    »Im Ernst!«, rief sie uns nach. »Sie werden diesen Körper echt vermissen, wenn er erst mal futsch ist.«
    Die gute Nachricht war, dass Dr. Penthouse empfohlen hatte, einen Termin für einen Kaiserschnitt festzusetzen. Selbstverständlich war heutzutage bei Zwillingen ein Kaiserschnitt Routine, aber es war nett, ihn im Kalender stehen zu haben. Und er verkürzte meine Wartezeit um drei Wochen. Errechneter Geburtstermin: 15. Oktober. Datum für den Kaiserschnitt: 20. September.
    »Wir warten gerne bis zum Geburtstermin«, hatte Mackie Dr. P. erklärt.
    Doch Dr. P. schüttelte den Kopf. »So lange schafft sie es auf keinen Fall.« Und bevor ich mir überlegen konnte, was genau Dr. P. damit über mich sagen wollte, erläuterte sie: »Zwillinge kommen immer zu früh.«
    Clive war an dem Tag verreist und würde erst am folgenden Nachmittag wieder zurück sein. Mackie rief ihn auf dem Nachhauseweg aus dem Auto an. Ich zählte, wie oft sie das Wort Zwillinge in das Telefon sagte. Dreiundzwanzig Mal. Es hätte genauso gut einhundertundsieben Mal sein können.
    Als wir wieder zu Hause waren, schwammen wir eine Weile im Pool und beschlossen dann, uns Filme anzusehen. Stattdessen landeten wir in Mackies überdimensiona lem Wandschrank und verkleideten uns mit den Kostümen unserer Mutter. Es war das erste Mal, seitdem wir sie zu Mackie gebracht hatten – in gewisser Weise war uns klar, dass es uns als Erwachsenen bei Weitem nicht so viel Spaß machen würde wie damals als Kinder. Doch wir waren fest entschlossen, es trotzdem zu tun.
    Die Kleider passten immer noch, jedenfalls so gut wie, auch wenn wir nicht alle

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