Eine Schwester zum Glück
ich.
»Nein!« Sie packte mich am Arm. »Kein Gegoogel. Frühstück.«
Ich konnte verstehen, dass Mackie die Augen verdrehte. Ich hätte das Gleiche getan. Ich wusste, dass ich mir das alles immer nur einbildete. Das ist verrückt, sagte ich mir ständig. Es ist alles in Ordnung. Doch so bestimmt ich es auch sagte, eine leise, rebellische Stimme irgendwo in meinem Kopf flüsterte immer wieder: Und wenn doch nicht?
Mein Frühstück bestand an dem Morgen aus Vollkorntoast, Bio-Streichkäse und Bio-Lachs. Dazu gab es einen Obstsalat aus Bio-Früchten, und mein Schwangerschafts-Vitaminpräparat in einem kleinen japanischen Wasabi-Schälchen.
»Was für ein Rundum-Service«, sagte ich und schluckte die Vitamine.
»Alles außer den Achselhöhlen«, sagte Mackie.
Am Nachmittag gingen wir zu unserem ersten Ultraschall, und als wir die Praxis verließen, war der Tumor völlig in Vergessenheit geraten, auf Nimmerwiedersehen – vollständig ersetzt von etwas Neuem.
Die Arzthelferin bat mich, mich zurückzulegen, und spritzte das Gel auf meinen Bauch. Dann fuhr sie mit dem Sensor überall entlang, während Mackie und ich den Bildschirm nach irgendetwas absuchten, was sich als etwas Menschliches identifizieren ließ. Hauptsächlich war da ein unscharfes Geflimmer – und ein paar unförmige Kleckse. Ich hatte wohl erwartet, ein winziges Menschlein zu erblicken, das uns zuwinkte. Es war seltsam enttäuschend.
Bis die Arzthelferin kaum hörbar aufkeuchte und sagte: »Oh.«
»War das ein gutes ›Oh‹ oder ein schlechtes ›Oh‹?«, fragte ich.
»Einen Moment«, sagte sie.
»Was ist los?«, wollte Mackie wissen.
Die Arzthelferin hatte natürlich nicht die geringste Ahnung, wie leicht ich in Panik geriet. Sonst hätte sie nicht gesagt: »Einen Moment«, und uns warten lassen, während sie eingehend den Bildschirm studierte. Ich beobachtete ihr Gesicht und dachte mir eine Milliarde Probleme aus, die sie erkannt hatte. Meine erste Sorge war, dass sie überhaupt nichts sah – dass keiner der Kleckse ein Baby war. Mein zweiter Gedanke galt natürlich dem Krebs, der Mutter aller gesundheitlichen Ängste. Eierstock, Gebärmutter, Darm, Bauchspeicheldrüse. Etwas Schlim mes. Etwas Furchtbares.
Wir warteten. Mackie und ich betrachteten nicht mehr den Bildschirm, sondern das Gesicht der Arzthelferin.
Schließlich erstellte sie ein Standbild auf dem Bildschirm und sagte: »Da.« Sie berührte das Bild mit dem Finger und zeigte auf etwas, das nach nichts aussah.
»Was ist das?«, fragte Mackie.
»Ein Tumor?«, schlug ich vor, doch Mackie versetzte mir einen Klaps auf den Arm.
»Raten Sie noch mal!«, sagte die Arzthelferin.
Doch Mackie meinte: »Das wollen Sie nicht hören.«
»Es ist noch ein Baby!«, verkündete die junge Frau mit einem Lächeln. »Sie bekommen Zwillinge!«
Gleich als sie es sagte, spürte ich ein freudiges Kribbeln. Und zwar nicht die Art von Freude, die man verspürt, wenn jemand anders etwas Gutes erlebt, sondern die Art, wenn einem selbst etwas Gutes widerfährt. Es war ein winzig kleiner Augenblick, aber er machte mir ganz schön Angst. Denn auf einmal begriff ich, dass unabhängig davon, was mein Gehirn bezüglich dieser Babys entschieden hatte, mein Körper ganz alleine etwas anderes entscheiden könnte. Und da gingen mir zum ersten Mal die Worte durch den Kopf, die im Laufe der nächsten Monate zu einer Art Mantra für mich werden sollten: Das hier ist nicht deine Schwangerschaft. Es ist Mackies.
Wir hatten natürlich auf Zwillinge gehofft – Babys, wie Mackie es ausdrückte, im Doppelpack zu bekommen, was bei künstlichen Befruchtungen ausgesprochen häufig vorkommt. Doch wir hatten beim Dopplerverfahren immer nur einen Herzschlag gehört, und die Zwillinge waren eine echte Überraschung. Mackie umarmte mich. Dann umarmte sie die Arzthelferin.
Dann betrachteten wir alle den Bildschirm. »Sind es Schwestern?«, wollte Mackie wissen. »Können Sie sagen, ob es Schwestern sind?«
»Nein, nein.« Die Arzthelferin winkte ab. »Dazu ist es noch viel zu früh.«
»Ein bisschen hoffe ich auf Schwestern«, gab Mackie zu. Sie drückte meine Schulter. »Ich kann mir mein Leben nicht ohne meine Schwester vorstellen.«
»Am besten hoffen Sie nicht zu sehr auf etwas Bestimmtes«, riet ihr die Arzthelferin.
»In der Schwangerschaft wie im Leben«, fügte ich hinzu, doch nur Mackie schenkte mir ein Lächeln.
Später entschieden Mackie und Clive sich dazu, dass sie das Geschlecht der Babys nicht
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