Eine Schwester zum Glück
glückliches Gemurmel von Mackie und Clive, also drehte ich an meinem Kopfhörer Chaka Khan auf. Dann zog ich meinen Terminkalender heraus und zählte die Wochen, und als ich damit fertig war, zählte ich die Tage. Wenn ich das nächste Mal unterwegs wäre, würde ich mir einen großen Kalender kaufen, um Kreuze zu machen, und einen dicken roten Stift. Eines war klar: Es war an der Zeit, ein bisschen Schwung in diese Schwangerschaft zu bringen.
Ich wusste natürlich, dass man die Zeit nicht dazu bewegen konnte, schneller zu vergehen. Sie schleppt sich in ihrem eigenen sturen und ärgerlichen Tempo weiter. Doch es schien mir wichtig, es wenigstens zu versuchen.
Selbst nachdem alle im Haus, einschließlich Chaka, verstummt waren, lag ich noch stundenlang wach. Jedes Mal, wenn ich versuchte, mich zusammenzurollen und einzudösen, spürte ich das Echo von Clives Handfläche auf meinem Brustkorb, und ich musste mich buchstäblich her umwälzen, um die Erinnerung abzuschütteln. Bis zum Morgen türmte sich mein Bettzeug wie ein kleiner Schrein zu Ehren der Schlaflosigkeit.
Als ich zum Frühstück nach unten kam, warf Mackie einen Blick auf mich und sagte: »Was zum Teufel ist dir denn zugestoßen?«
»Ich konnte nicht schlafen.«
Natürlich ging sie davon aus, dass es an der Schwangerschaft lag. Sie brachte mir einen Obstteller und eine Kanne koffeinfreien Kaffee. »Ist dir übel?«, erkundigte sie sich.
»Nein«, sagte ich. »Ich bin bloß unruhig.«
»Ich konnte auch nicht schlafen«, sagte sie. Und dann: »Clive und ich haben viel darüber geredet, was vorgefallen ist.«
Ich erstarrte. Er hatte es ihr erzählt. Wut auf ihn überkam mich. Es schien Mackie einfach nichts anzugehen. Dass sie wegen etwas derart Nebensächlichem sauer auf mich wurde, konnte ich nun wirklich nicht gebrauchen. Wegen etwas, womit ich niemals gerechnet hätte und worüber ich mich sowieso schon selbst ärgerte. Es war nicht nötig, dass wir beide sauer waren.
»Ich finde, dass du und ich uns auch ein bisschen unterhalten sollten«, sagte sie.
»Sicher.« Ich zwang mich zu schlucken.
Als ich noch ein Stück Obst aufspießte, fiel mir auf, dass Mackie mit den Stücken ein lächelndes Gesicht gelegt hatte. Kiwiaugen, Bananennase, Erdbeerlächeln, Brombeerhaare. Mir traten Tränen in die Augen.
Ich war mir noch nicht einmal sicher, was ich sagen sollte. Wäre sie irgendjemand anderes, hätte ich den ganzen Morgen lang über mein Gekuschele mit Clive reden können – nicht so sehr über den Moment selbst, sondern über seine nachklingenden Auswirkungen auf meine Psyche. Etwas daran hatte eine Wärme in meinem Körper entfacht, einen Wirbel siedender Gefühle, die ich für mein Leben gern ausdiskutiert hätte. Aber dieses Gespräch konnte ich niemals mit Mackie führen. Oder mit Clive. Oder auch nur mit mir selbst. Ich würde all diese Worte so fest und so lange unterdrücken müssen, bis sie einfach in meinem Körper verschwanden.
Ich hielt die Luft an.
Da sagte Mackie: »Clive konnte nicht glauben, dass ich sauer auf dich geworden bin, weil du meinen blöden Film nicht mochtest.«
Das war’s? Das war die Unterhaltung? Ich sah ihr in die Augen. »Konnte er nicht?«
»Nein. Er meinte: ›Du hast doch selbst gesagt, dass es ein schlechter Film ist.‹«
Allerdings.
Mackie fuhr fort: »Und ich habe gesagt: ›Mit einem Funken von etwas Gehaltvollem.‹«
»Mir ging’s einfach nicht gut«, meinte ich.
»Genau das hat Clive auch gesagt! ›Vielleicht ging es ihr nicht gut!‹«
»Das hat er gesagt?«
»Aber ja! Und dann hat er gesagt, ich soll mich bei dir entschuldigen.«
Clive hatte Partei für mich ergriffen! In dem Augenblick verschoben sich die Kontinente in meinem Herzen ein letztes Mal, und das Ganze blieb bei einer ausgereiften Fixierung stehen. »Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen«, sagte ich. »Ich sollte mich bei dir ent schuldigen.«
Nennen wir es nicht Verliebtsein. Nennen wir es ein »Bewusstsein«, eine »Sehnsucht« oder einen »Funken«. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass »verliebt« und »Schwager« keine Begriffe sind, die man in einem Atemzug nennen sollte. Es ist unheilvoll. Und verkehrt. Und es verletzt alle möglichen Gesellschaftsverträge. Da lässt man einfach die Finger davon.
Doch dank dieser verrückten Schwangerschaft hatten wir unsere Finger bei allen möglichen Dingen im Spiel, an die andere Leute gar nicht erst rührten. Wir hatten Neuland betreten. Ich werde also nicht
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