Eine Schwester zum Glück
laufen. Es war ein Verkuppelungsplan, in den niemand außer Mackie eingeweiht war, doch sobald ich dahintergekommen war, kam ich mir auf einmal wie eine Komplizin vor. Ich errötete bis an die Ohr läppchen. Was Everett Thompson nicht entging. Er starrte mich immer noch an und schien die Luft anzuhalten.
Seine Mutter nahm es auf sich, das Schweigen zu brechen. »Everett, ich denke, du kennst –«
»Sarah.« Er klang genau wie im Flugzeug.
»Sie hatte eben ein Vorstellungsgespräch bei Howard«, erläuterte Barbara Tierney. »Ich glaube, er hat sie zum Weinen gebracht.«
Everett nickte. »Howard bringt jeden zum Weinen.«
Es fiel mir viel leichter, Barbara Tierney anzusehen als ihren Sohn. Sie war auf normale Art attraktiv: mit diesem nüchternen Bob, geraden Zähnen, der langen Perlenkette, die beinahe bis zu ihrem Gürtel reichte. Sie sah hübsch aus, ohne es gleich zu übertreiben. Doch ihr Sohn, egal, was Mackie sagte, sah einfach zu gut aus. Die meisten Menschen auf der Welt sind auf ihre Kleidung angewie sen, auf ihr Make-up, auf ihre Persönlichkeit, um ihr gewöhnliches, stinknormales Menschsein wettzumachen. Doch Everett Thompson anzusehen war für mich, als würde ich in die Sonne sehen. Es tat meinen Augen weh. Es tat meinem ganzen Körper weh. Mir blieb keine andere Wahl, als nach unten auf seine Schuhe zu starren.
»Ich hatte keine Ahnung, dass deine Mutter hier arbeitet«, sagte ich gesenkten Blickes.
»Tja«, antwortete Everett. »Die Welt ist klein, selbst in so einer großen Stadt.«
»Die viertgrößte Stadt im ganzen Land«, sagte ich.
»Tatsächlich?«, fragte Barbara Tierney. »Das überrascht mich.«
Endlich wusste ich einmal etwas. Ich wandte mich mit einem belehrenden Nicken an sie. »New York, L. A. , Chicago und Houston.«
»Das ist wunderbar«, meinte sie, als hätten wir einen Preis gewonnen.
Dann gerieten wir ins Stocken. Ich wollte weg, beinahe so sehr, wie ich bleiben wollte, aber es schien unhöflich, allzu rasch zu gehen. Es war noch keine angemessene Zeitspanne vergangen, und auch wenn mir diese Stelle durch die Lappen gegangen war – und wenn wir schon einmal dabei sind, diese Leute hier ebenfalls –, machte sich mein Instinkt in dem Moment bemerkbar, und ich versuchte, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, indem ich das erstbeste Thema ansprach, das mir in den Sinn kam.
»Meine Schwester möchte dich mit der Mieterin in ihrer Einliegerwohnung verkuppeln.« Ich hob den Blick.
»Prima«, sagte Everett. »Ich mag Mieterinnen.«
Er neckte mich, doch ich ließ mich nicht beirren. »Sie ist sehr jung und sexy.« Ich kam mir mit jedem Wort immer idiotischer vor. »Sie sonnt sich voller Babyöl in einem String-Bikini.«
»Volltreffer«, sagte er.
»Und gescheit ist sie auch. Anscheinend hat sie bei ihren SAT -Tests die volle Punktzahl erreicht.«
Mittlerweile machte ihm das Ganze Spaß. »Das ist ja wohl das Mindeste!«
Ich ließ nicht locker. »Sie ist im Grunde eines dieser Mädchen, die von Männern geliebt, aber von Frauen gehasst werden«, fuhr ich fort. »Obwohl das für dich vielleicht okay ist – wo du doch ein Mann bist.«
Everett wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und selbst ich merkte, dass ich mich wie eine Verrückte anhörte. Er legte den Kopf schräg. »Hasst du sie denn?«
Es war an der Zeit, zum Ende zu kommen. »Meine Schwester glaubt, sie wird mit dem Alter ein bisschen umgänglicher werden.«
»Geht uns das nicht allen so?«, warf Barbara Tierney ein. Ich hatte ganz vergessen, dass sie da war.
Als ich zum Abschied meinen Blick hob, merkte ich, dass ich selbst zwar weder Everett noch seine Mutter angesehen hatte, sie mich aber sehr wohl. Sie starrten geradewegs meinen Bauch an. Einen Bauch, den Everett Thompson das letzte Mal gesehen hatte, als er noch lange nicht schwanger aussah. Und ich wusste genau, was ihnen durch den Kopf ging. Sie fragten sich ungläubig, was in aller Welt mit mir passiert war.
Und so tätschelte ich meinen Bauch und sagte, ohne eine Sekunde mit einer Überleitung zu vergeuden: »Ich bin schwanger!« Und dann: »Mit Zwillingen!«
Ohne selbst auch nur eine Sekunde nachzudenken, fragte Everett: »Wer ist der Vater?«
Kurzzeitig verspürte ich den Drang, ihn mit »Du!« zu necken. Doch dann hatte ich das Gefühl, dass er das nicht komisch finden würde. Aber meine zweite Option war beinahe genauso besorgniserregend. »Clive«, sagte ich. »Clive ist der Vater.«
»Dein Schwager?«, fragte Everett.
Everett
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