Eine Schwester zum Glück
wahr?«
Das hatte ich nicht, aber ich nickte trotzdem.
Dann machte er mit ein paar Fragen weiter – beispielsweise »Wie würden Sie das Erscheinungsbild unserer Stadt beschreiben?« und »Was ist architektonisch Ihre Lieblingsepoche?« – doch meine Antworten schienen ihn nicht zu interessieren. Dann ging er zu Hardcore-Fragen über wie »Was ist ein Tonnengewölbe?« und stellte Multiple-Choice-Denksportaufgaben wie »Welche Kalksteinart kommt in Texas vor?«
Gegen Ende beantwortete ich eine Frage nach der anderen falsch, und es schien ihm Vergnügen zu bereiten, mir dabei zuzusehen, wie ich mich wand. Unerklärlicherweise kam ich mir schuldig vor, als legte ich eine Prüfung ab, für die ich nicht gelernt hatte. »Ich hoffe, Sie bewerten nach Gaußscher Normalverteilung«, versuchte ich, die Situation zu retten. Er schüttelte ernst den Kopf. Nein.
»Ich lerne schnell dazu«, bot ich an. Und dann, als wäre diese Information relevant: »Diese BH -Werbungen überall in der Stadt? Das sind meine.«
Howard blickte skeptisch drein.
»Sie können es googeln«, versprach ich.
Howard sah mich an. »Was machen Sie dann hier? «
Mit dieser Frage hatte ich gerechnet, und ich beschloss, mein Bestes zu geben. »Eines Tages hatte ich eine Erleuch tung, dass die Werbung, die ich ständig produzierte, böse war. Ich möchte die Welt verbessern«, fuhr ich fort, »oder sie zumindest nicht verschlechtern.«
Er hörte mir tatsächlich zu. Meine persönliche Beichte schien seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Und als er darauf wartete, dass ich mehr sagte, spann ich den Faden weiter. »Wenn ich sonst nichts in meinem Leben haben werde – wenn das mein Schicksal ist: ein Mensch zu sein, der immer arbeitet –, dann will ich, dass es von Wert ist. Verstehen Sie?«
Doch er verstand es nicht. Irgendwie hatte ich ihn verloren. Vielleicht hatte ich zu viel gebeichtet, war ihm zu nahe getreten oder hatte das Ziel erfrischend ehrlich verfehlt und stattdessen ein bisschen erbärmlich getroffen. Als ich aufsah, hatte er den Blick abgewandt.
Wir waren fertig. Er legte die Unterlagen in seiner Mappe zurecht und steckte seinen Bleistift zurück in den Behälter. Ich bekam die Stelle nicht. Das spürte ich. Und er war so selbstgefällig, dass es mich in den Wahnsinn trieb. In dem Augenblick verspürte ich den Drang, mich zu verteidigen. Ich wäre toll in dem Job! Er gab mir ja noch nicht einmal eine Chance! Ohne im Geringsten nach zudenken, trat ich für mich ein – auf eine Art und Weise, die wie immer ziemlich nach Eigensabotage aussah. »Sie haben mich gar nicht gefragt, ob ich irgendwelche besonderen Fähigkeiten habe.«
Er stieß ein kurzes Seufzen aus, als ginge ich ihm so richtig auf die Nerven. Dann fragte er, tonlos, den Blick auf sein Mail-Programm gerichtet: »Haben Sie irgendwelche besonderen Fähigkeiten?«
Ich sprach laut. »Ich bin gut in Breakdance.«
Er sah mich an.
»Hauptsächlich beim Moonwalk«, fuhr ich fort. »Aber auch beim Caterpillar und dem Inchworm. Ich kann die ganzen Insekten.«
Howard Hodgeman stand auf. Wir waren fertig.
»Ich kann auch wie ein Huhn gehen«, fügte ich hinzu. »Auch wenn das nicht so sehr tanzen ist, sondern eher herumstolzieren.«
Er sah mich mit neuen Augen an. »Sie sind eine Nervensäge, nicht wahr?«
»Sie haben mir keine einzige echte Frage gestellt«, entgegnete ich und blieb sitzen.
Er dachte nach. Dann ließ er sich auf den Stuhl zurücksinken.
Ich hatte seine Aufmerksamkeit wiedererlangt. Rein zufällig war es mir gelungen, das Gespräch wieder in Gang zu bringen – wenigstens ein ganz kleines bisschen.
»Okay«, sagte er mit leicht zusammengekniffenen Augen. »Erzählen Sie mir von dem Haus, in dem Sie aufgewachsen sind.«
Es war mein großer Moment, ihn zu verzaubern. Ihm zu zeigen, dass ich, obwohl ich keinerlei Erfahrung im Bereich des Denkmalschutzes besaß, genau die Richtige für diese Stelle war – auch wenn ich selbst noch nicht genau wusste, warum. In diesem Augenblick war ihm anzusehen, dass ich eine winzige Chance hatte, ihn zu bezirzen. Und ich wusste mit absoluter Gewissheit, dass ich hierhin wollte.
Das Haus, in dem ich aufwuchs. Das war ganz leicht. Ich hatte eine Million Dinge über dieses Haus zu sagen. Howard hatte mir einen einfachen Ball zugespielt, und ich holte tief Luft, um ihn aus dem Stadion zu schlagen.
Und dann weinte ich stattdessen los. Die Tränen kamen und flossen, meine Nase lief, mein Bauch hüpfte bei jedem Zittern meines
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