Eine Schwester zum Glück
Halsadern hervortraten. Sie sagte, Frauen werde immer beigebracht, höflich zu sein, ruhig und entschuldigend. Wir müssten uns selbst beibringen, unsere Stimmen zu benutzen – denn die seien die absolut besten Waffen, die wir hätten.
Allmählich wünschte ich mir, einen Notizblock dabeizuhaben. Ich hatte gedacht, wir würden ein paar Karate hiebe üben und dann wieder nach Hause fahren. Doch Dixie wollte, dass wir die Psychologie der Macht begriffen. Sie sagte, dass Männer, die Frauen angriffen, selbst Angst hätten und die Welt in nur zwei Kategorien einteil ten: die Angreifer und die Angegriffenen. Für solche Typen war jeder Mensch nur das eine oder das andere. Dann sagte sie: »Wenn ihr nur eine Sache aus diesem Kurs mitnehmt, dann dieses: Wenn ihr einem Angreifer lauthals Obszönitäten an den Kopf werft, sucht er in acht von zehn Fällen das Weite.«
Wir Frauen sahen uns an, froh, dass es so leicht wäre. Doch dann warnte Dixie uns, dass es eben nicht leicht sei. »Im Gegenteil«, sagte sie, »vielleicht ist es sogar das Schwie rigste, was ihr je versuchen werdet.«
Ich fand nicht, dass es allzu schwierig klang. Es war nicht das erste Mal, dass ich schrie. Und ich konnte fluchen wie ein Kesselflicker. Mackie hatte mich schon ab und zu zum Schweigen gebracht, damit ich keinen schlechten Einfluss auf die Babys ausübte. Mit meinen sechs Monaten war ich nicht mehr so flink wie früher, doch wenn die Hauptbeschäftigung in Schreien und Fluchen bestand, hatte ich ohne Weiteres das Zeug zur Klassenbesten.
Da erteilte Dixie uns unsere nächste Anweisung. »Okay, Ladys. Das hier ist hart. Stellt euch einen Menschen vor, den ihr bedrohlich findet, und brüllt, wenn ich auf euch deute: ›Verpiss dich, du verfluchter Scheißkerl!‹«
Ich wünschte mir so sehr, Mackie wäre hier. Dann hätte ich mich verblüfft zu ihr umdrehen können.
Dixie gab uns eine Minute, damit wir uns unseren Kerl vorstellen konnten. Dann fragte sie: »Habt ihr ihn?«
Wir nickten. Das wirkte gar nicht schwierig.
Doch die erste Frau, auf die sie zeigte, brach in Gelächter aus und kicherte jedes Mal, wenn Dixie es erneut versuchte. Die zweite Frau hatte ähnliche Probleme, und sie brachte nichts als eine piepsige Fistelstimme zustande. Die dritte brach in Tränen aus, und die vierte erklärte, sie habe moralische Einwände gegen das Fluchen, und verließ den Raum.
Dann kam ich an die Reihe. Ich war bereit. Doch als Dixie tatsächlich auf mich deutete, schnürte sich mir die Kehle zu, als würde eine Hand meinen Hals packen und zudrücken. Dixie gab mir ein paar Minuten, bis ich mich wieder gefasst hatte, dann nahm sie mich überraschend sanft an der Hand und führte mich auf die Tür zu.
»Hol dir einen Schluck Wasser, Schätzchen«, sagte sie, und ich folgte ihrem Rat.
Dixie wusste, dass dies passieren würde. Genau das passierte, wie sie uns später erzählte, in fast jedem Selbstverteidigungskurs, den sie je geleitet hatte. Frauen, die ihre Stimme wunderbar beherrschten, wenn sie mit Angestellten sprachen, mit ihren Kindern schimpften oder ihre Ehemänner daran erinnerten, bei der chemischen Reinigung vorbeizuschauen, hatten keine Ahnung, wie sie in einer Notlage auf ebendiese Stimmen zugreifen sollten.
»Habt ihr Angst, euch dumm zu benehmen?«, schrie sie uns an. »Fürchtet ihr, zu laut zu sein oder dass die anderen Ladys nach Hause gehen und mit ihren Ehemännern darüber lachen, wie ihr euch aufgeführt habt? Die können uns mal, diese Ladys! Und ihre Ehemänner auch! Jetzt lasst ein ›gottverfluchter Scheißkerl!‹ hören, ver dammt noch mal!«
Und endlich schockierte mich das Gefluche nicht mehr. Dixie hatte sich als Superheldin entpuppt und konnte jedes verdammte Wort sagen, das sie wollte.
»Ich kann euch nicht hören!«, rief sie. Ihr Mund war weit offen, die Fäuste geballt. »Weckt den Wachmann auf! Lasst die Mauern erbeben! Bringt das Gebäude zum Einsturz! ›Gottverfluchter Scheißkerl!‹«
Diesmal waren wir lauter.
»Schreit es dem Typen zu, der euch heute Morgen im Straßenverkehr geschnitten hat!«
»Gottverfluchter Scheißkerl!«
»Schreit es dem Schreibwarenhändler entgegen, bei dem ihr heute eine halbe Stunde in der Warteschleife gehangen habt!«
»Gottverfluchter Scheißkerl!«
»Schreit es dem Jungen auf der Middleschool zu, der sich über euren BH lustig gemacht hat!«
»Gottverfluchter Scheißkerl!«
»Und schreit es dem gottverfluchten Scheißkerl zu, der euch so viel Angst eingejagt hat,
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