Eine Schwester zum Glück
uns zu verkuppeln. Aber ich glaube nicht, dass ich ihr eins auswischen wollte. Ich denke eher, dass das Timing schlecht war. Und unsere Kommunikation war sogar noch schlechter.
Das ist das Problem mit Herzensangelegenheiten. Es ist so schwer, mit offenen Karten zu spielen. Es gibt so unzählig viele Möglichkeiten, in der Liebe verletzt zu werden, dass es entscheidend scheint, ein wenig hinter dem Berg zu halten. Man kann nicht einfach wie eine Dampfwalze angerollt kommen und rufen: »Lieb mich!« Man kann nicht auf und ab springen und schreien: »Was zum Teufel ist los mit allen?« Man muss sich zentimeterweise voranarbeiten, so gut wie möglich raten und die Hoffnung auf ein Happy End nicht aufgeben. Und genau das hatte ich vor.
Ich ging nach oben auf mein Zimmer und suchte mein Handy, denn ich fühlte mit einer Gewissheit, die ich sonst bei so gut wie nichts empfand, dass Everett mich anrufen würde, sobald er Barni abschütteln konnte. Sie hatte zu viel getrunken – sollte eine Beinahe-Ärztin es nicht besser wissen? –, und er musste sie buchstäblich die Treppe zu ihrem Apartment hinauftragen. Ich beobachtete, wie das Licht bei ihr anging, und wartete dann darauf, dass er wieder herauskäme. Doch das tat er nicht.
Da ich müde war, legte ich mich auf mein Einzelbett, beobachtete den sich drehenden Deckenventilator, hielt mein Handy auf der Brust und wartete ab.
Dann hörte ich, wie Clive und Mackie sich in ihrem Zimmer küssten – da sie sich mittlerweile bewusst waren, dass ich sie hören konnte, machten sie immer wieder »Pst!«. Doch zum ersten Mal fühlte ich mich nicht eifersüchtig, einsam oder als würde man mich foltern. Es war peinlich und ein bisschen ekelhaft, aber in Ordnung. Ich setzte die Kopfhörer auf und stellte das Handy auf Vibra tion mit einer eigenartigen, unerschütterlichen Zuversicht, dass alles gut werden würde. Sicher, ich war arbeitslos, Single und jeden Tag immer noch ein bisschen schwangerer, doch allmählich wirkten diese Dinge vorübergehend. Seit heute Abend konnte ich nicht anders, als den größeren Zusammenhang zu sehen. In einem Jahr, schien es, würde alles gelöst sein. Ich wäre dann bereits ein gutes Stück auf dem neuen Lebensweg unterwegs, der sich mir auftun würde. Mein wohliges Hochgefühl war so stark, dass ich an dem Abend einnickte, ohne auch nur zu merken, dass Everett gar nicht anrief.
8
D erart hoffnungsvoll einzuschlafen war für meine Verhältnisse überaus optimistisch. Allerdings fragte ich mich am nächsten Morgen, als auf meinem Handy keine verpassten Anrufe waren, ob ich mir vielleicht selbst irgend wie Unglück gebracht hatte, indem ich es wagte, mich auf etwas zu freuen.
Als dann Everett auch im Laufe des Tages nicht anrief, wandelte sich mein Optimismus in Pessimismus. Es wurde Mittag. Dann ein Uhr. Dann zwei. Bald war das Abendessen vorbei, und ich war wieder im Bett, genau wie am Abend zuvor, doch diesmal war da kein wohliges Hochge fühl. Keine angenehme Vorfreude. Diesmal hallte in mir die hohle Gewissheit wider, dass kein Anruf erfolgen würde.
Es wäre ideal gewesen, dieses Problem mit Mackie zu diskutieren – wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch irgendetwas mit ihr besprochen hätte. Zum Beispiel hatte ich seit Neuestem, wenn ich redete oder kaute, komische Schmerzen im Ohrläppchen. Doch ich erwähnte es Mackie gegenüber nicht einmal, weil ich genau wusste, was sie sagen würde: »Was? Jetzt hast du auch noch Ohrläppchenkrebs?«
Stattdessen mied ich sie. Mackie hatte gerade viel zu tun, sie bekam einen Auftrag nach dem anderen, und Clive war oft verreist. Ich hatte das Haus ganz für mich und tat all die Dinge, die man wohl macht, wenn es einem schlecht geht, in der Hoffnung, sich danach besser zu fühlen: Ich nahm ein Schaumbad. Ich kochte Gazpacho. Ich spielte auf der Stereoanlage Earth, Wind & Fire bei voller Lautstärke, las an einem Nachmittag einen Roman über eine französische Spionin von der ersten bis zur letzten Seite und probierte ein Pilates-Video für Schwangere aus. Alles blieb ohne nennenswerte Wirkung. Ich fühlte mich nicht besser, sondern schlechter. Ich umkringelte ein paar Stellen angebote in der Zeitung, doch die Woche ging zu Ende, und ich war zu deprimiert, um auch nur zum Telefonhörer zu greifen.
Bis Samstag weigerte ich mich, mein Handy auch nur anzusehen. Ich schlief auch nicht. Ich war die ganzen Nächte hindurch bis fünf Uhr morgens auf und sah fern. Ich wollte nicht schlafen und versuchte es nicht
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