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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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haben für dich mit gedeckt!«
    »Oh«, sagte ich. Ich konnte Everett nicht in die Augen sehen.
    Er musste mich mit dem Kuss hereingelegt haben. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Irgendwelche sadistischen, zwölf Jahre herangereiften, übrig gebliebenen Rachegelüste aus der Highschool. Es schien mir unbegreiflich, wie er an dem Abend im Pool so ganz hingerissen gewirkt und dann derart schnell das Interesse verloren haben konnte. Die einzige Erklärung, die mir einfiel, lautete, dass er ein sehr guter Schauspieler sein musste – und er hatte das Ganze nur vorgetäuscht. Entweder das, oder ich hatte Barni unterschätzt, und vor die Wahl zwischen Barni und mir gestellt hatte er sich für Barni entschieden.
    »Setz dich zu uns«, sagte Clive und winkte mich herein.
    Ich bemerkte Barnis pinkfarbenen Lippenstift am Rand von Everetts Bierflasche. »Oh«, sagte ich wieder und gab mir große Mühe, Worte hervorzubringen. »Ich kann nicht. Ich muss los.« Während ich zurückwich, stieß ich gegen die Wand.
    »Du bist doch eben erst hereingekommen«, protes tierte Mackie, die versuchte, mich an den Tisch zu winken.
    »Hektischer Tag, Boss«, sagte ich.
    »Wir haben Aloo Gobi und selbst gebackenes Naan«, säuselte Mackie, als könnte mich irgendetwas auf der Welt zum Bleiben verleiten.
    Sie hatten schon ein paar Drinks intus. Sie fühlten sich gut. Sie wollten plaudern und dass wir alle dicke Freunde wären. Sie warteten mit freundlichen Mienen darauf, dass ich an den Tisch käme und mich zu ihnen gesellte – alle außer Everett, der wegsah. Ich wollte kehrtmachen und gehen, doch meine Beine rührten sich nicht von der Stelle.
    Schließlich brach Barni das Schweigen und deutete auf Everett. »Ihr beide seid auf der Highschool wirklich miteinander gegangen? Das ist ja so ulkig!«
    »Nicht wahr?«, sagte ich. »Ist es nicht urkomisch?«
    »Und?«, fuhr Barni fort, als hätten sie und der gesamte Tisch den ganzen Tag auf diese eine Frage gewartet. »Ist er ein guter Küsser gewesen?«
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Everett seinen Teller studierte.
    Ich betrachtete die Szene, die sich mir bot. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal etwas so Sorgloses getan hatte, wie mit Freunden ein Bier zu trinken. Alles in meinem Leben wurde jetzt davon diktiert, was ungefährlich für die Babys war oder optimal für ihre Entwicklung oder am besten für ihre Intelligenz. Ich lebte in einem Laborrattenkäfig aus mütterlicher Gesundheit und wurde bei jeder Gelegenheit daran erinnert, dass ich ein Gefäß war. Und die Person, für die ich das Ganze machte, hatte zur Hälfte eine Flasche Shiner Bock getrun ken mit ihrem perfekten Ehemann in ihrem perfekten Haus bei einem perfekten Pärchentreff. In dem Augenblick hasste ich jeden in dem Zimmer, mich eingeschlossen, und nach einem langen Abend, in dessen Verlauf ich Schimpfwörter in die Welt hinausgeschrien hatte, schaffte ich es nur mit Mühe, nicht auf der Stelle lauthals ein paar Obszönitäten von mir zu geben.
    Doch ich tat es nicht. Ich trat nur an den Tisch und griff nach Everetts Bierflasche. Ich wischte mit dem Daumen Barnis Lippenstift vom Flaschenrand. Während ich mich zu Barni umdrehte, hielt ich die Flasche hoch, wie um ihr zuzuprosten. »Everett ist«, ich zog den Augenblick so weit wie möglich in die Länge, »ein phänomenaler Küsser gewesen.«
    Dann setzte ich die Flasche an die Lippen und nahm einen herzhaften Zug.
    Mackie keuchte auf. Alle anderen erstarrten und glotzten mich an, während ich meinen großen Protest gegen Liebeskummer, Ungerechtigkeit und Menschen, die einen nicht anriefen, wenn sie eigentlich sollten, in Szene setzte. Selbst Everett war eine kurze, glorreiche Sekunde zu schockiert, um sich zu rühren. Ich stellte die Flasche klirrend wieder auf den Tisch.
    Es war ein guter Moment. Ich kam mir tapfer, fies und wahnsinnig tough vor und war stolz, dass ich es schaffte, so viel Mut aufzubringen. Der nächste Schritt lautete, sich Mackies mieses Auto zu schnappen und loszufahren. Ich wusste nicht, wohin, aber davon hatte ich mich noch nie aufhalten lassen.
    Ich wandte mich zum Gehen. Die Anwesenden versuchten, aus mir schlau zu werden, und ich stand ganz ohne Zweifel immer noch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, als mein Handy läutete. Was sogar mich überraschte, denn so gut wie jeder, der mich normalerweise anrief, befand sich dort im Zimmer.
    Doch es hätte mein Dad sein können. Oder Dixie. Es hätte Everetts Mutter sein

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