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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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Zeit und rief bei ihm zu Hause an. Eines Tages tauchte sie während einer Kundenpräsentation in Trenchcoat und Reizwäsche auf.
    »Ist das zu glauben?«, warf J. J. ein. »Während einer Kundenpräsentation!«
    »Ich hasse dich wirklich«, sagte ich. »Das sage ich nicht bloß so.«
    »Gut«, meinte J. J. »Ich hasse mich selbst.«
    »Eigentlich«, fuhr ich fort, »ist hassen nicht einmal das passende Wort. Hassen klingt noch viel zu niedlich.«
    »Soll ich zu Ende erzählen?«, fragte er.
    »Bleibt mir was anderes übrig?«
    Er fuhr fort: Dann wurde seine Frau schwanger, und sie kam überraschend ins Büro, um ihm das kleine Pluszeichen auf dem Stäbchen zu zeigen, während er mit Veronica im Besprechungszimmer war. Seine Sekretärin hielt seine Frau auf, indem sie ihr Websites mit Babynamen zeigte, aber er stand haarscharf davor, erwischt zu werden und mit anzusehen, wie sein ganzes Leben den Bach hinunterging. Das, so erklärte er, sei die Warnung gewesen, die er gebraucht hatte.
    » Das war die Warnung, die du gebraucht hast?«, meinte ich.
    J. J. beschloss, ein besserer Mensch zu werden, keine Techtelmechtel mehr zu haben, sich richtig niederzulassen und ein braver, hingebungsvoller, aufmerksamer Ehemann und Vater zu werden. Und natürlich mit Veronica Schluss zu machen.
    »Bist du dir sicher, dass sie so heißt?«, meinte ich. »Das klingt nicht wie ein echter Name.«
    »So heißt sie«, sagte J. J. »Veronica Locke.«
    Kein echter Name. Wer hatte dieses Mädchen ange heuert?
    Wie dem auch sei, er machte tatsächlich Schluss mit ihr. Er hatte gehofft, sie aufmunternd zu umarmen und sie dann ihrer Wege zu schicken, doch sie hatte »einen auf Verhängnisvolle Affäre gemacht«, hatte geweint und geschrien und so weiter und so fort. Schließlich drohte er ihr, dass er sie ins Gefängnis werfen lassen würde, falls sie je wieder Kontakt zu ihm aufnehmen sollte.
    »Das hat sie dir abgekauft?«, fragte ich.
    »Sicher«, sagte er. »Sie ist neunzehn.«
    Am folgenden Tag sprach sie dann für ein Shooting von einem Bademodenkatalog vor, und man sagte ihr, sie sei zu dick. Und an dem Abend – sitzen gelassen, allein, arbeitslos, zwei Kilo über dem Limit – fuhr sie nach Hause und schluckte die ganze restliche Flasche Codein, die noch übrig war, seitdem man ihr die Weisheitszähne gezogen hatte. Ihre Mitbewohnerin fand sie auf dem Küchenfußboden neben einer umgeschütteten Dreiliterflasche Cola light.
    »J. J.?«, meinte ich.
    »Was denn?«
    »Ich brauche ein stärkeres Wort für hassen .«
    Veronica blieb eine Woche im Krankenhaus. Ihre Eltern kamen mit ihrem Teddybären aus Kindertagen aus Houston geflogen, um sie nach Hause zu holen. Sie schrieb ihm das alles in einem Brief.
    »Und du hast sie nicht im Krankenhaus besucht«, riet ich. »Oder?«
    »Ich dachte, es würde die Sache nur schlimmer ma chen.«
    »Schlimmer für wen?«
    »Für alle, okay?«
    Vielleicht hatte er sogar recht. Verheiratete Exfreunde mit schwangeren Ehefrauen waren vielleicht nach der großen Trennung nicht die besten Trostspender für ihre suizidgefährdeten Geliebten im Teenageralter. Allerdings war das Ganze ein bisschen eine Grauzone.
    J. J. erzählte mir, Veronicas Eltern hätten sie in eine Ent zugsklinik außerhalb von Houston einweisen lassen.
    »Eine Entzugsklinik?«, fragte ich. »Was für eine Art von Entzugsklinik?«
    »Alkohol, Drogen und Essstörungen.«
    »Was davon hat sie denn?«
    »Ich weiß nicht«, sagte J. J. »Vielleicht alles.«
    Wir waren noch immer nicht so ganz darauf zu sprechen gekommen, warum genau er bei mir anrief. »Was soll ich bei der ganzen Sache tun?«, fragte ich.
    »Hilf ihr«, sagte er. Schlicht und einfach.
    »Wie denn?«
    »Ich weiß es nicht!« Seine Stimme war ein Kreischen.
    Und etwas an seinem Schmerz tröstete mich. Auf seine schäbige Art und Weise schien ihm wenigstens ein bisschen an ihr gelegen zu haben.
    »Ich weiß nicht, ob ich ihr helfen kann«, sagte ich. »Vielleicht ist sie schon nicht mehr zu retten.«
    Und dann, gerade als ich vom Highway auf den FM 2260 einbog, fing J. J. – der egoistische, dumme, schwanzgesteuerte J. J. – zu weinen an.
    Ich lauschte nur. Auf das Geräusch des FM 2260 unter meinen Reifen und das Geräusch von J. J.s Gewissen, das an die Oberfläche stieg.
    Und dann war ich da.
    Rancho Verde war im Grunde keine Ranch , sondern eher im Ranch-Stil erbaut . Es war ein verschachteltes Vorstadthaus auf dem Land, umgeben von hohem Gras und Eichen, mit einem kleinen

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