Eine Schwester zum Glück
Anstrengung gekostet hätte, hätte ich auf halbem Wege aufgegeben. Ganz ehrlich.
Es trieb Mackie in den Wahnsinn, dass ich, die Königin aller Hypochonder, mir keine Sorgen machte. Doch ich hatte nur bei eingebildeten Dingen Angst. Diese Schwan gerschaft war real. Ich konnte sie spüren. Ich lebte sie und hatte einfach das Gefühl, dass da drinnen alles in Ordnung war.
Also machte Mackie sich an meiner Stelle Sorgen. Und wenn ich nun Präeklampsie bekam? Toxoplasmose? Einen Schlaganfall? Und wenn eines der Babys nicht richtig wuchs? Oder starb? Oder sie zu früh kamen? Es gab eine Million Dinge, die schiefgehen konnten, und Mackie hatte über alle etwas gelesen. Sie druckte mir Artikel dazu aus und legte sie in einem Stapel auf meinen Nachttisch.
Es war der totale Rollentausch. Ich war diejenige, die schwanger war, aber sie machte sich verrückt des wegen.
Die Artikel blieben ungelesen. Anfangs gab ich mir noch Mühe, doch mittlerweile rührte ich sie nicht einmal mehr an. Ich möchte nicht sagen, dass mir die Schwangerschaft egal war. Sie lag mir am Herzen, und ich wollte, dass alles gut ging. Ich interessierte mich schon für die Ver änderungen in meinem Körper und die kleinen Menschlein, die darin Purzelbäume schlugen. Theoretisch war das Ganze richtig cool.
Doch in der Realität gewann es die Oberhand über mein Leben. Je größer mein Bauch wurde, desto mehr versuchte ich, ihn zu ignorieren. Obwohl ich mir nicht mehr die Schuhe zubinden konnte. Ich hatte achtzehn Kilo zugenommen, und mein Gesicht sah aus wie eine Flunder. Bei der Wahl von Parkplätzen musste ich sorgfältig vorgehen, weil es schon passiert war, dass ich buchstäblich nicht aus dem Wagen kam. Ich hatte ja keine Ahnung, wie voll und ganz dieses Projekt jeden Zentimeter meines Daseins verschlingen würde, und meine Selbstverteidigungstaktik bestand darin, so zu tun, als fände das Ganze einfach nicht statt.
Dadurch stand ich im Widerspruch zu all den entzück ten und faszinierten Menschen in meinem Leben. Die Leu te sahen mir mehr auf den Bauch als ins Gesicht. Howard deutete wahnsinnig gern darauf und sagte: »Bist du dir sicher, dass es keine Drillinge sind? Ich wette hundert Mäuse, dass da ein blinder Passagier mit drin ist.« Clive wollte ein Gesicht darauf malen und ein Foto für die Clacker -Website machen. Und Mackie wollte jedes ein zelne Säuglingskleidungsstück, das sie bei eBay erstanden hatte, dagegenhalten.
Es gab noch ein anderes Problem. Meine Haut fing an zu jucken. Es fing irgendwann im Laufe des sechsten Monats an, als ich in zwei Wochen fünf Kilo zunahm. Erst waren es bloß ein paar Stellen, doch mit der Zeit breitete es sich aus und übersäte meinen ganzen Bauch.
»Ich scheine einen Ausschlag zu haben«, erzählte ich Dr. Penthouse bei unserem nächsten Termin.
Sie schaltete ihre Untersuchungslampe ein, um einen Blick darauf zu werfen.
»Das ist kein Ausschlag«, sagte sie. »Ihre Haut ist überdehnt und reißt.« Dann warnte sie mich, niemals zu kratzen.
Ich brach in Gelächter aus. »Soll das ein Scherz sein? Ich mache den ganzen Tag nichts anderes.«
Doch sie hatte eine Behandlungsmethode für mich parat und erklärte sie mir Schritt für Schritt.
Sie wollte, dass ich mir jeden Morgen den Bauch mit einer dicken Schicht Crisco-Backfett einrieb und mir dann die Körpermitte vorsichtig mit Frischhaltefolie umwickelte. So sollte ich den ganzen Tag herumlaufen. In meinem eigenen Saft marinieren.
Das konnte nicht ihr Ernst sein. Es war Sommer in Houston. Es hatte 38 Grad Celsius und 98 Prozent Luftfeuchtigkeit. Ich wartete darauf, dass sie grinste, doch das tat sie nicht.
»Vielleicht könnte ich stattdessen ein bisschen Cortison bekommen?«, fragte ich.
»Das ist nicht gut für die Babys«, sagte sie mit einem Kopfschütteln.
Auf dem Heimweg hielten wir an, um Frischhaltefolie zu kaufen, und dann probierte ich es am Abend aus. Ich wickelte mich ein, zog meinen Schlafanzug an und setzte mich mit einer Zeitschrift hin. Ich las genau zwei Seiten. Dann schnitt ich die Folie mit einer Schere auf, wischte mir das Backfett ab und kratzte ausgiebig.
Der Ausschlag war eine Metapher. Es gab keine Lösung. Es gab nur die lange Wartezeit, bis es vorbei war. Also wartete ich. Und ertrug mit verkniffenem Lächeln die Fotos, das Getätschele, die Nachfragen, die Witze, die Ultraschalluntersuchungen, den Watschelgang, die Rückenschmerzen und die Leute, die den Babys in meinem Bauch Ständchen brachten.
Und noch etwas
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