Eine Schwester zum Glück
zeigen, doch auf den Bildern waren auch Menschen zu sehen. Kinder in weißen Kleidern mit riesigen Schleifen. Mütter auf Veranden mit Babys im Arm. Eine Geburtstagsfeier. All diese Menschen, die einmal lebten und mit der Zeit vergessen wurden. Sie lebten und starben. Sie wurden erbaut und abgerissen. Es gab sie nicht mehr. Die Häuser waren tot, und die Menschen auch. Ich wollte sie alle retten und zurückbringen.
Und dort im Volvo, während mein Dad »To All The Girls I’ve Loved Before« schmetterte, kam mir meine geniale Idee zur Rettung der Bibliothek. Sie würde super funktionieren. Wenn unser Spender ein bisschen mehr Geld springen ließ.
Er tat es. Oder sie. Wer auch immer es war – manche Kollegen spekulierten, dass es Barbara selbst war, auch wenn wir es niemals herausfanden –, billigte die ganze Idee: Ich wollte Reklametafeln aufstellen entlang der drei wichtigsten Freeways, die in die Stadt führten. Es waren jeweils vier Plakatwände hintereinander, wobei die ersten drei Plakate gleich gestaltet waren: Sie zeigten ein Foto von einem der prächtigen Herrenhäuser, und darunter stand der Text Erbaut : 1889 . Daneben war eine Abbildung dessen, was jetzt dort stand – beispielsweise ein Motel oder ein Donut-Laden – mit der Bildunterschrift Abgerissen : 1950 . Oder wann auch immer. Dann kam die vierte Plakatwand mit einem wunderschönen Bild der Bibliothek, und darunter stand Erbaut : 1911 . Doch daneben sah man statt eines Donut-Ladens ein großes Herz, in dem geschrieben stand: Retten Sie sie! Und darunter Stimmen Sie für den Erhalt der Bibliothek der Liebe!
Wir verwirklichten die gesamte Idee. Ich entwarf die Plakate an meinem Laptop und organisierte das Ganze. Selbst Howard fand es klasse und sah sich gezwungen, seine Meinung von mir zu revidieren. Und nachdem die Plakatwände standen, machten sie Schlagzeilen. Die Leute erkundigten sich danach und schrieben in ihren Blogs darüber. Der Chronicle brachte ein Feature im Regionalteil. Die örtlichen Fernsehsender machten Reportagen über die Aktion. Und jemand – noch nicht einmal wir – druckte Autoaufkleber mit der Aufschrift: Rettet die Liebe! Rettet die Bibliothek! Das machten wir sofort nach. Wir bedruckten T-Shirts, die ein lokaler Radiosender verschenkte. Unsere Idee schien zu funktionieren, und überall in der Stadt tauchten Autoaufkleber auf. Es war einfach spitze.
Und so verbrachte ich das letzte Drittel meiner Schwangerschaft, indem ich leidenschaftlich an meinen beiden Rettungsaktionen arbeitete und all meine Sorgen und meinen Kummer auf Situationen konzentrierte, die größtenteils außerhalb meiner Kontrolle lagen. Ich war nicht nur auf eines, sondern auf zwei aufreibende Projekte gestoßen. Sie lenkten mich ab und hielten mich auf Trab, was Mackie allerdings ziemlich gegen den Strich ging.
Außerdem hatte ich mittlerweile wöchentlich Termine bei Dr. Penthouse, vor denen mir graute. Mackie führte Tabellen über mein Gewicht, meinen Blutdruck und meine Urinwerte. Nach jeder Untersuchung fragte mich Dr. Pent house: »Haben Sie Fragen?«
Und ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
Danach wandte sie sich regelmäßig an Mackie. »Und Sie?«
Mackie zückte dann einen Ausdruck voller Fragen. In nummerierter Reihenfolge.
Mackie hatte sämtliche Termine in ihrem Kalender und plante ihre Arbeit dementsprechend. Sie fuhr uns hin, und ich drehte die Stereoanlage auf, damit wir uns nicht unterhalten mussten.
»Du brauchst nicht zu jedem Termin mitzukommen«, sagte ich einmal, als sei sie viel zu beschäftigt und hätte vielleicht gern einen Vorwand, nicht mitzufahren.
Doch ich war es, die gern einen Vorwand gehabt hätte, nicht hinzufahren. Jede Woche wirkte übertrieben. Die Ärzte schienen sich so sicher zu sein, dass etwas mit den Babys schiefgehen würde. Doch ihnen fehlte nichts. Es ging ihnen gut. Mir ging es gut. Alles war gut. Entgegen meinem sonstigen Hang zur Panikmache schien es mir, als wäre es keinem von uns zuträglich, wenn wir ständig unter Katastrophenalarm standen. Das konnte leicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.
Mackie sah es als ein Problem meiner Einstellung – als sei es mir egal und als würde ich mich nicht richtig ins Zeug legen. Einmal murmelte sie auf der Heimfahrt: »Bloß weil es nicht deine Babys sind, heißt das nicht, dass du dir keine Mühe geben sollst.«
Doch das war das Beste an dieser Schwangerschaft. Ich musste mir keine Mühe geben. Wenn es mich obendrein noch
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