Eine skandalöse Braut
worden waren, wusste er nicht. »Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen? Lady Amelia.«
Selbst Oates’ sagenhafte Ungerührtheit schien einen Moment in sich zusammenzufallen. Sein Kinn sackte herab, vielleicht hätte er sogar nach Luft geschnappt, aber das war einfach unter seiner Würde. Sogleich gewann er seine Haltung zurück und verbeugte sich. »Es ist mir ein Vergnügen, Mylady. Willkommen auf Berkeley.«
»Ich danke Ihnen.«
»Ihre Ladyschaft wird eine Zofe brauchen.« Alex nahm ihren Arm und führte Amelia in die Eingangshalle. Marmorfußböden und himmelhohe Decken sowie ein Mosaik aus Blattgold, das ein Florentiner Meister vor zwei Jahrhunderten über den Säulen angebracht hatte, ließen keinen Zweifel am Reichtum der Familie. Ähnlich verschachtelte Verzierungen fand man höchstens noch im Vatikan. »Wir würden gerne erst die Kleidung wechseln und uns erfrischen, ehe wir mit dem Rest der Familie zusammentreffen.«
»Das kann natürlich arrangiert werden, Mylord.«
Oates eilte in einer beeindruckenden Geschwindigkeit davon, und Alex grinste. »Ich war als Kind ein Plagegeist. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir noch mal gelingt, ihn zu schockieren. Aber ich glaube, gerade ist es mir gelungen.«
»Es herrscht die Meinung vor, dass du auch heute noch ein Filou bist«, erinnerte seine Frau ihn förmlich. Sie hielt den Blick auf eine unbezahlbare, rot-weiß gemusterte Vase gerichtet, in der Treibhausblumen standen. Die schwarze Lacktruhe, auf der die Vase stand, stammte ursprünglich aus dem Orient. Dann richtete sie ihr Interesse auf den riesigen Kronleuchter, der über ihren Köpfen hing. Sie schien sich in ihr Schicksal zu fügen, aber sie wirkte nicht annähernd so eingeschüchtert, wie man es von einer behütet aufgewachsenen, unschuldigen Frau erwarten würde.
Ich mag es, sie in meinem Elternhaus zu sehen, dachte er. Dieses kräftige Blau passt zu ihren schönen Augen.
Sie war ohne ihre Kleider sogar noch spektakulärer.
Hatte er sich das in seinen kühnsten Träumen ausgemalt? Wie er mit seiner Frau nach Berkeley kam?
Er dachte an den kommenden Abend. Dann flüsterte er: »Ich werde dir später zeigen, wie viel von diesem Filou noch in mir steckt.« Sein sinnliches Versprechen ließ sie leise lächeln.
Wenigstens hatte sie die Badewanne schon verlassen, als jemand an die Tür klopfte. Amelia war nicht sicher, ob sie nur mit ihrem Morgenmantel bekleidet einfach zur Tür gehen konnte, aber als erneut sanft geklopft wurde, nickte sie ihrer Zofe zu. Das ruhige, junge Mädchen, das in einem walisischen Singsang sprach, durchquerte den Raum, öffnete die Tür und sank im nächsten Moment in einen Knicks.
Die Frau, die in der Tür stand, war wohl ungefähr in den späten Zwanzigern. Sie hatte brünette Haare und sah sehr hübsch aus. Das elegante, aber recht schlichte graue Kleid mit belgischer Spitze am Hals stand ihr gut. »Ich bin Diana.«
Diese schlichte Vorstellung machte Amelia für den Moment sprachlos.
»Die Marquise of Busham«, fügte die Frau hinzu. »Verheiratet mit dem einst berüchtigten John St. James. Dem älteren Bruder deines Mannes. Vergib mir mein Eindringen, aber darf ich hereinkommen?«
Ihr warmes Lächeln machte es unmöglich, abzulehnen. Im Übrigen war sie anscheinend ihre Schwägerin. Amelia stammelte: »Aber na… natürlich. Bitte.«
»Ich dachte, du könntest vor dem Dinner vielleicht etwas Gesellschaft brauchen.« Diana glitt herein. Ihre Röcke schmiegten sich silbrig und elegant um sie. Ihr herzförmiges Gesicht wurde von sanften, braunen Augen beherrscht, in denen offene Neugier blitzte. »Lass mich ehrlich sein. Ich war einfach schrecklich neugierig und konnte es nicht erwarten, dich kennenzulernen. Aber du kannst sicher sein, ich habe nur lautere Absichten. Ich verehre Alex.«
Die stille Zofe zog sich leise aus dem Gemach zurück und schloss diskret die Tür hinter sich.
Es gab nichts Besseres, um im sprichwörtlichen Sinne das Eis zu brechen. Amelia zog den Gürtel um ihre Leibesmitte fester. Sie war etwas verlegen, doch dann gestand sie: »Ich verehre ihn auch.«
Das riesige Empirebett erforderte eine Fußbank, um hineinzusteigen, weshalb sich ihre Schwägerin in einen hellgrünen Sessel mit Seidenpolster setzte. Der ganze Raum strahlte eine geschmackvolle Eleganz aus: blassgrüne Seidentapeten, unbezahlbare Teppiche aus Aubusson und schwere, aus Rosenholz gefertigte Möbel. Alex hatte beiläufig erwähnt, sie könnten die Apartments jederzeit neu
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