Eine skandalöse Braut
stattlichen Schwanz wie du, Liebster …
War er … ob sein … Ding wirklich so stattlich war?
Wo, bitteschön, kam dieser ganz und gar undamenhafte Gedanke her? Seine bestechende Männlichkeit war wirklich beunruhigend.
»Ich muss wieder hineingehen«, sagte sie und blickte zu den Glastüren hinüber, die gerade weit genug aufstanden, um die trällernde Melodie herausströmen zu lassen, die vom Orchester gespielt wurde. »Man wird mich vermissen.«
»Euer gelegentliches Verschwinden wird doch inzwischen akzeptiert.«
Sie hatte gehört, wie Lady Fontaine ihr gelegentliches Verschwinden interpretierte, und bei der Erinnerung an ihre Worte ballte sie die Hände in ihren Röcken. »Ich verschwinde nicht aus dem Grund, den jedermann anführt«, gab sie monoton zurück und blickte ihm in die Augen. »Nicht dass ich Euch oder sonst wem eine Erklärung schuldig bin.«
Er neigte seinen Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Ich bin bloß neugierig, warum Ihr es macht.«
»Ich mache mir einfach nicht besonders viel daraus, zu tanzen.« Das war eine kleine Lüge, denn sie genoss es, zu tanzen. Der eigentliche Grund war, dass es einfach nicht klug war, wenn sie sich zu sehr verausgabte.
»Ich tanze ebenfalls nur gelegentlich.«
Warum hatte sie bloß das Gefühl, er könnte sich über sie lustig machen? Im silbrig glänzenden Mondlicht versuchte sie, seine Miene einzuschätzen, aber sie konnte nichts erkennen außer den leicht gehobenen, dunklen Brauen.
»Nachdem wir uns gegenseitig unserer Abneigung versichert haben, nicht allzu gerne Walzer und andere wilde Tänze zur Musik zu tanzen, würde es Euch vielleicht nichts ausmachen, stattdessen mit mir ein bisschen durch den Garten zu spazieren?«
»Wir wurden einander noch nicht einmal vorgestellt.«
»Meine Liebe, wir haben uns geküsst. Gibt es eine bessere Art, miteinander bekannt zu werden?«
Sein Lächeln war herrlich. Nur ein leichtes Heben dieser wohlgeformten Lippen, und schon starrte sie nur noch auf seinen Mund. Sie erinnerte sich, wie sich seine Lippen auf ihren anfühlten, wie sie sich warm und unnachgiebig auf ihre drückten.
»Ihr habt mich geküsst«, wandte sie ein.
»Und Ihr habt den Kuss erwidert, wenn ich mich recht entsinne.«
»Ich war überrascht.« Sie verteidigte sich nur halbherzig. Er wusste genauso gut wie sie, dass sie nicht wie eine schockierte junge Dame reagiert hatte. Nicht so, wie es eigentlich schicklich gewesen wäre.
»Angenehm überrascht, möchte ich hoffen. Und da wir nun unsere Bekanntschaft bekräftigt haben – wollen wir?« Er bot ihr seinen Arm.
»Seid Ihr sicher, Ihr findet mich nicht zu merkwürdig ?« Sie versuchte, die Bemerkung leichtfertig klingen zu lassen, als kümmere sie sich nicht um Lady Fontaines Ansicht. Aber ihre Bemerkung hatte gesessen. Die Männer, die sie bei gesellschaftlichen Ereignissen den ganzen Abend umschwärmten, bewunderten ihr Aussehen und wussten um ihre großzügige Mitgift. Es war pure Ironie, dass sie mit ihrem Versuch, ihr kleines Atemproblem zu kaschieren, nur noch Öl ins Feuer des männlichen Interesses gegossen hatte. Tatsächlich hatte sich bisher niemand die Mühe gemacht, sie zu fragen , warum sie so oft Tänze ausließ. Sie hatten einfach alle daraus geschlossen, sie sei kokett.
Nur Alex St. James hatte sie nach dem wahren Grund gefragt.
Er blickte sie an. Ein Mundwinkel hob sich leicht. »Ich finde, Ihr habt nicht das übliche Auftreten, das all die anderen unschuldigen jungen Damen auszeichnet. Ihr müsst einfach bedenken, dass Gabriella ein schlichtes Wesen hat. Sie kann sich nicht vorstellen, nicht zu flirten. Oder früh aufzustehen, um morgens im Park zu reiten. Darum findet sie es merkwürdig. Ich vermute, es spielt auch ein Gutteil Eifersucht mit hinein, mit der sie Euch beäugt. Das ist auch der Grund, weshalb Ihr bisher nicht allzu viele Freunde gefunden habt. Aber macht Euch keine Sorgen. Die Klugen werden schon noch merken, wie Ihr seid. Und wen kümmern schon die anderen?«
Sein Arm war noch immer einladend erhoben.
Sie sollte nicht mit ihm spazieren gehen. Der berüchtigte Sohn des Duke of Berkeley war kein Mann, mit dem eine tugendhafte junge Dame durch die Gärten streifen sollte. Zu keiner Tageszeit.
Aber trotz all der Verehrer, aller Schmeicheleien und der Unmengen Blumen, die den Salon im Stadthaus ihres Vaters in Mayfair füllten, hatte sie doch angesichts der Aufgabe, einen anständigen Ehemann zu finden, nie etwas anderes als Langeweile verspürt.
Alexander St.
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