Eine skandalöse Braut
des Lebens ermöglicht«, gab er zu. »Die Söhne von Dukes sind vor der bitteren Not oder den Kugeln des Feindes ebenso wenig gefeit wie die Söhne der Hufschmiede oder Bauern.«
»Tatsächlich?« Ihre Miene war überraschend nachdenklich. Sie runzelte leicht ihre zarte Stirn. »Ich hätte gedacht, Ihr wärt als Offizier besser geschützt als ein Fußsoldat.«
»Was glaubt Ihr denn, wer die Männer in die Schlacht führt?« Er gab sich Mühe, möglichst wertfrei zu klingen. Er war sich bewusst, wie gleichgültig die feine Gesellschaft den Gräueltaten des Kriegs gegenüberstand. Hier in London schien es selbst ihm, als sei der Krieg weit weg. Wie ein ferner, quälender Traum. »Wenn es zum Kampf kommt, nimmt der Tod keine Rücksicht auf den Rang des Einzelnen.«
Sie verzog ihre Lippen. Diese weichen, verführerischen Lippen. »Und Ihr behauptet, kein Poet zu sein, Mylord? Milton hätte es nicht besser sagen können, und er gehört zu meinen Lieblingsautoren.«
»Ihr lest Milton?« Er musste zugeben, das überraschte ihn ein wenig. Das verlorene Paradies war kaum die Lektüre, die man von einer jungen englischen Lady erwarten durfte.
»Unter anderem. Ich habe Pope gelesen, Voltaire … Ja, und Charles Churchill.« Dieses Mal lag in ihrem Lächeln etwas Unheilvolles. »Bitte seht mich nicht so verblüfft an. Auch wenn ich jetzt wie ein Blaustrumpf klinge, habe ich einen funktionierenden Verstand wie Ihr. Ich vermute, ich bin verrückt nach Büchern.«
»Ich bin nicht verblüfft«, erwiderte er automatisch, obwohl das nicht die ganze Wahrheit war. Ihre Ehrlichkeit war in einer Welt, in der Flirts auf der Tagesordnung standen, ungewöhnlich und erfrischend.
»Doch, das seid Ihr.« Sie lachte. »Aber das ist absolut in Ordnung, da es Euch offenbar nicht missfällt, sonst wäre es etwas völlig anderes.«
»Es steht mir wohl kaum zu, Eure Vorlieben zu akzeptieren oder zu missbilligen.«
»Das ist wahr, aber es gibt nur wenige Männer, die so denken. So sehr es mich schmerzt, muss ich zugeben, dass Lady Fontaine in vielem recht hat. Die meisten Männer finden, eine Frau müsse nicht über einen nennenswerten Intellekt verfügen.«
Das stimmte. Es sprach nicht gerade für sein Geschlecht, und Alex musste lachen. »Wie ich sehe, pflege ich gerade Umgang mit einer sehr liberalen Frau.«
»Haben wir Umgang miteinander, Mylord?« Sie brachte die Frage sehr vorsichtig vor. Dennoch war sie um ein Vielfaches unverblümter, als er es von ihr erwartet hätte. Vor allem, seit er wusste, dass sie seine überzeugte Erklärung Gabriella gegenüber belauscht hatte, er sei nicht geschaffen, um sich ein Leben lang an eine Frau zu binden. Dass er das gesagt hatte, um Lady Fontaines Spekulationen im Zaum zu halten, und seine Worte nicht seine tatsächliche Ansicht über die Ehe widerspiegelten, war irrelevant. Er hatte es gesagt, und sie hatte es richtig verstanden.
Mutter Natur bewahrte ihn davor, eine Antwort auf die Frage zu geben. Der Regen, der vorhin aufgehört hatte, begann ohne Vorwarnung aufs Neue niederzuprasseln. Diesmal war es kein leichter Niesel-, sondern ein richtiger Frühlingsregen. Amelia stieß einen kleinen, erschreckten Laut aus. Zum Glück gab es am Ende eines schmalen Pfads zu ihrer Linken einen kleinen, überdachten Pavillon, der zu dekorativen Zwecken dort errichtet worden war. Eine von vielen Verrücktheiten, die man in englischen Gärten dieser Tage antraf.
»Hier entlang.« Es war besser als den ganzen Weg zurückzugehen, den sie gekommen waren. Alex umfasste ihren Arm und führte sie in die Richtung. So erfuhr er noch etwas über Lady Amelia: Sie konnte recht flink laufen. Atemlos und durchnässt liefen sie die schmalen Stufen hinauf und standen dicht beisammen unter dem kleinen, runden Dach. Sie lauschten dem Regen.
»Ach, du meine Güte.« Sie schüttelte ihre Röcke aus und strich eine feuchte, goldene Strähne zurück, die an ihrem grazilen Hals klebte. »Ich bin völlig durchnässt.«
Alex schlüpfte aus seinem nassen Jackett. »Friert Ihr?«
»Nein.« Ihr Gesicht war ein perfektes, blasses Oval. Sie drückte eine Hand auf ihre Brust. »Aber ich hoffe, dieser kleine Sprint hat nicht … Also, ich brauche einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen.«
»Sieht aus, als bleibt Euch mehr als nur ein Moment Zeit, Mylady.« Er blickte hinaus in den Regen, der wie ein dichter Vorhang von der Dachkante des Pavillons herabrann. »Wir können nicht zurück, ehe der Regen nachlässt.« Er wandte sich
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