Eine skandalöse Braut
einmal einladen, mit mir einen Tag zu verbringen«, meinte Alex ironisch. »Das würde einiges richtigstellen.«
Ihr Lachen war hell und melodiös. »Wenn Ihr den Plan in die Tat umsetzt, Mylord, dann wählt nicht ausgerechnet einen Tag, an dem Ihr Euch in den Schatten auf meinem Balkon herumdrückt.«
»Ein Punkt für Euch. Wenn ich Euch noch einmal auf diesem Weg einen Besuch abstatte, komme ich allein, versprochen.«
Ein Versprechen, das er gedankenlos ausgesprochen hatte. Amelia war beim Gedanken an diese Möglichkeit verstummt. Dabei hatte er keinesfalls vor, noch einmal ihr Schlafzimmer zu betreten, selbst dann nicht, wenn sie ihn einladen würde – und er bezweifelte, ob sie je eine Einladung dieser Art aussprechen würde. Sie war eine viel zu vernünftige Frau, um das Risiko einzugehen, ruiniert zu werden. Und auch er war vernünftig. So eine Schuld wollte er nicht auf sich laden.
»Heute ist ein herrlicher Morgen, findet Ihr nicht? Trotz des Nebels.« Sie wies vage auf die Nebelschwaden zwischen den Bäumen.
Sie war jedenfalls so schlau, keinen wohlbekannten Wüstling in ihr Schlafgemach einzuladen. Alex betrachtete die weißen Schwaden, die sich zwischen den Bäumen hoben. Die Stadt um sie war erstaunlich ruhig, während sich langsam die Röte des Sonnenaufgangs verbreitete. »Ich mag Nebel. Er verleiht dem Park etwas Geheimnisvolles. Ich kann mich noch sehr gut an eine meiner Reisen in die Toskana erinnern. Damals legte sich der Morgennebel auf die Stadt Lucca. Im Hintergrund erhoben sich die Berge, die ganze Atmosphäre war sehr unwirklich.«
»Ihr wart in Italien?«
»Ja, das war ich. Einen Monat lang blieb ich mit einem Freund in Florenz und trieb mich auf dem Land herum. Danach reiste ich nach Griechenland weiter, besuchte Kreta, Zypern und jeden anderen Ort, der nur entfernt exotisch klang.« Die Reise war interessant gewesen. Ein wunderbares Abenteuer. »Ich bin ein Jahr nach Cambridge gegangen, aber in mir war eine Unruhe, weshalb mein Vater so klug war, nicht zu widersprechen, als ich den Wunsch äußerte, zu reisen. Nach meiner Rückkehr konnte ich mich meinen Studien mit einer weitaus größeren Hingabe widmen.«
»Das klingt schön«, sagte sie dumpf. »Dass Euer Vater Eure Wünsche berücksichtigt hat, meine ich.«
Die Verbitterung in ihrer Stimme sprach Bände.
»Wir reiben uns dennoch oft genug aneinander, wenn wir uneins sind.« Alex gab sich Mühe, gleichgültig zu klingen. Er wusste, dass Frauen aus ihren Kreisen oft keine andere Wahl gelassen wurde, außer möglichst rasch eine vorteilhafte Verbindung einzugehen. Ihre Wünsche wurden nur selten oder gar nicht gehört. »Als Duke muss auch er sich strengen Regeln unterwerfen, aber dafür ist er überraschend verständnisvoll. Vielleicht ist er so, weil er sich die Erinnerung an die Zeit bewahrt hat, als auch er jung war und sich gegen die Konventionen auflehnte.«
»Mein Vater bringt nur sehr wenig Verständnis auf.«
Es war bestimmt besser, sich einem fröhlicheren Thema zu widmen als ihrem offensichtlich angespannten Verhältnis zum einzigen Elternteil. »Erzählt mir von Cambridgeshire. Ich habe meine Zeit dort genossen, als ich die Universität besuchte. Findet Ihr London aufregend? Oder vermisst Ihr die Ruhe auf dem Land?«
»Die Saison ist natürlich sehr glamourös.« Ihre Stimme klang förmlich. Dann seufzte sie und gab ein kleines, bedauerndes Lachen von sich. »Doch, ich vermisse das Landleben. Die sanfte Brise, die grünen Wiesen, die voll erblühten Lilien, die sich in den Beeten an der Einfahrt drängen. Die Freiheit aufzuwachen, wann ich will, und kein Mensch weit und breit, der daran Anstoß nimmt.«
»Ich kann das voll und ganz verstehen.«
Sie blickte auf den Weg, der vor ihnen lag. Ihr hübsches Gesicht wirkte seltsam nachdenklich. »Ich finde nicht, dass London aufregend ist. Anders, das auf jeden Fall, aber die Stadt ist überfüllt, geschäftig und laut. Nichts davon mag ich besonders. Natürlich gibt es diese spektakulären Brücken, die imposanten Gebäude, die Musik, Kunst, all das. Aber das macht es nicht wieder wett. Der Landsitz meines Vaters ist mein Zuhause. Dort ist mir alles vertraut, es ist ein warmer Ort. Ich kenne die Dienerschaft dort besser als meine Familie, obwohl Tante Sophia mich dort recht oft besucht hat. Die Abende kommen dort früher … Ich halte mich noch immer an die Zeiten, die ich von dort gewohnt bin, fürchte ich. Schon kurz nach Einbruch der Dunkelheit begibt man sich zu
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