Eine skandalöse Braut
gehört, er hat erst vor wenigen Wochen ausgiebig die Geburt seines Neffen gefeiert, da er der nächste herzogliche Erbe in direkter Linie ist. Er hat sich gefreut, weil er in der Erbfolge weiter nach hinten gerutscht ist. Darf ich fragen, warum du glaubst, er richte seine Aufmerksamkeit neuerdings auf deine Nichte?«
Wegen jenem romantischen Augenblick inmitten des strömenden Regens, als er sie im Pavillon geküsst hatte. Deshalb. Außerdem hatte sie an Amelias Verhalten zuletzt eine Veränderung bemerkt, die sie nicht greifen konnte. Ihre Reaktion auf die Lilien war auch verdächtig.
»Ich habe sie erwischt, als sie einander sehr zärtlich umarmten«, erzählte Sophia ihm. Sie erinnerte sich nur zu gut, wie Amelia ihre schlanken Arme um den Hals des jungen Mannes geschlungen hatte, während sie sich küssten. Ihre Körper hatten sich aneinandergedrückt, und es stand außer Frage, dass nichts gegen Amelias Willen geschehen war. »Ich habe keinen Beweis, aber ich könnte schwören, dass sie sich seitdem heimlich getroffen haben. Sie hat weder meine Erlaubnis noch die ihres Vaters, ihn zu sehen. Woher sollte er beispielsweise wissen, dass sie Lilien liebt? Sie sind einander nicht einmal offiziell vorgestellt worden.«
»Sie treffen sich also heimlich? Meinst du das ernst?«
»Wie gesagt, ich habe keine Beweise, aber ja, ich denke schon.«
»Das wäre für einen Mann, der stets eine gewisse Ungebundenheit an den Tag legt, wenn es um seine Liebesaffären geht, ein erstaunlich großes Risiko.« Richard strich sich erneut über seinen Schnurrbart. »Das ist wirklich interessant.«
»Interessant?« Sophia warf ihm einen knappen Blick zu. »Das kannst du einfach so sagen. Du bist ja auch nicht verantwortlich für eine offenbar leicht beeinflussbare junge Frau.«
»Ich verstehe, worin dein Dilemma besteht. Aber was sagt Amelia denn zu der ganzen Sache?«
»Ich habe sie bisher nicht direkt danach gefragt. Ich wollte zuerst mit dir reden, um danach zu entscheiden, wie ich in dieser Angelegenheit vorgehen soll. Er weiß bestimmt, dass ich ihre Treffen nicht gutheiße. Schließlich habe ich ihn gebeten, sich von ihr fernzuhalten.«
»Trotzdem erlaubt er sich diese freundliche Geste mit den Blumen. Eigentlich doch recht harmlos, aber irgendwie auch eine Stellungnahme.«
Dieses Mal starrte Sophia ihn wütend an. »Er ist alles andere als harmlos, Richard. Er soll aufhören, sie mit seinem Verhalten zu ermutigen. «
»Offenbar kann er dem Impuls nicht widerstehen, genau das zu tun. Das ist doch auch interessant.«
»Wenn du noch einmal sagst, irgendwas ist interessant, werde ich so laut schreien wie eine irische Banshee.«
Sein Lachen war leise und dunkel. »Ich fühle mich angemessen gewarnt. Aber falls das für dich ein Trost ist, ich habe noch nie gehört, dass St. James sich unehrenhaft verhalten hat. Skandalös, das schon, wenn man dem lebhaften Klatsch über seine ausgewählten Vergnügungen mit dem schönen Geschlecht Glauben schenken kann. Aber wenn du meine ehrliche Meinung hören willst: Er ist unglaublich attraktiv und fraglos wohlhabend, weshalb er ebenso gejagt sein wird wie die Frauen, denen er nachstellt. Die Frauen, mit denen er in Verbindung gebracht wird, sind allesamt mit den Konventionen unserer Kreise vertraut, sie wissen alle, dass die Arrangements, auf die sie sich einlassen, sich nicht durch Dauerhaftigkeit auszeichnen. Dennoch stürzen sie sich in diese Liaisons. Wer kann es ihm verdenken, wenn er annimmt, was sie ihm anbieten? Das würden die meisten Männer tun, die noch Leben in sich spüren.« Richard stürzte den letzten Schluck Sherry herunter. Seine Miene wirkte nachdenklich. »Er war ein sehr fähiger Kommandant drüben in Spanien, soweit ich gehört habe, besonders für sein Alter. Er kann nicht älter als 28 sein, und er war fünf lange Jahre dort. Meiner Meinung nach wird er entweder ehrenvolle Absichten hegen, wenn er so ernsthaft sein Interesse an Amelia zeigt, oder er wird die Anziehungskraft zu Amelia ignorieren und sich an die nächste, willige und für ihn besser verfügbare Schönheit heranmachen.«
»Ich wünschte, ich wäre mit deinem Vertrauen gesegnet.« Sophia stand auf, um Richards Glas wieder aufzufüllen. In Gedanken verfluchte sie ihre empfindsame Seele mit ein paar ausgewählten Worten, die keine Lady benutzen sollte. Als sie sich wieder setzte, stieß sie ein lang gezogenes Seufzen aus. »Ich bin nicht sicher, wovor ich mich mehr fürchte, Richard. Vor Ersterem
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