Eine skandalöse Lady: Roman (German Edition)
völlig spontan gehandelt, ohne vorher nachzudenken, und ganz im Geheimen fragte er sich, wieso er sich zu einer solch impulsiven Geste hatte hinreißen lassen. Reiner Beschützerinstinkt vermutlich. »Ihr braucht mir nicht zu danken«, sagte er bloß.
»Sie hasst mich.« Ihre Schritte klangen energisch, ihre Röcke raschelten, ihr Gesicht wirkte verschlossen. »Ich glaube nicht, dass mich zuvor schon jemand so gehasst hat. Dabei hat sie gar keinen Grund.«
Er bezweifelte, dass die Sache so einfach war. »Ihr Mann wollte Euch immerhin früher heiraten.«
Lily warf ihm einen Blick von der Seite zu. Sie sah an diesem Abend in dem schulterfreien hellgrünen Kleid und den passenden Bändern im Haar einfach bezaubernd aus. »Ihr Mann hat sich geweigert , mich zu heiraten.«
Damien antwortete nicht, denn um sie herum waren zu viele Menschen. Nicht zu vergessen die Herzoginwitwe, die gerade Kurs auf sie nahm. Weniger selbstbewusste Männer hätten in diesem Moment das Weite gesucht.
Statt eine Antwort zu geben, überließ er Lily ihrer Anstandsdame und verneigte sich galant. »Euer Gnaden.«
»Bravourös, Mylord.« Die Stimme der alten Dame klang wie immer kühl. »Seid meiner Dankbarkeit versichert. Lady Lillian empfindet bestimmt ähnlich. Wer will denn so einen uralten Vorfall wieder ausgraben und in aller Öffentlichkeit eine Szene machen? Wenn Ihr mich fragt, ist das sehr überspannt.«
Gut gebrüllt, dachte Damien. Eindeutig waren ihre Worte nicht nur an ihn gerichtet, sondern an die neugierigen Damen und Herren, die noch im Foyer herumstanden. Vor ihnen hatte sie Lady Sebring als zänkisches Eheweib hingestellt, und ihre Meinung würde sich durchsetzen. Schließlich gehörte sie zu den tonangebenden Damen in London. Einige Frauen in der Nähe tuschelten bereits hinter vorgehaltener Hand.
Gott segne die britische Aristokratie, dachte Damien amüsiert. Sie schaffte es immer wieder, sich über alles genussvoll das Maul zu zerreißen.
Ihn beschäftigte mehr die Frage, warum Sebring so viel aufs Spiel gesetzt hatte. Was war ihm so dringlich erschienen? Die Erpressung? Was wiederum bedeutete, dass Lillian Bourne etwas damit zu tun hatte. Und wenn nur indirekt. Obwohl er das nicht erst seit heute vermutete, gab es ihm nach wie vor Rätsel auf.
In diesem Moment wurde die herzogliche Kutsche aufgerufen. »Es war wie immer schön, Euch zu treffen, Lord Damien«, sagte Lily förmlich, während er lächelnd den Kopf neigte. Dann eilten die beiden Ladys mit eingezogenen Köpfen nach draußen, und nachdenklich beobachtete er, wie ein Lakai ihnen unter dem tropfenden Vordach in die elegante Equipage half.
Lady Lillian war und blieb ein Geheimnis für ihn. Freude, ihn zu sehen, schlug schnell in fast abweisende Kälte um, ohne dass er diesen Sinneswandel verstand. Aber er würde es herausfinden, dachte er, und zwar sehr bald. Schließlich war es sein Spezialgebiet, die Wahrheit zu ergründen, ganz gleich wie sie aussehen mochte. Die Wahrheit war selten schön, aber als Waffe von schier unschätzbarem Wert.
Er dachte an die Botschaft, die er früher an diesem Tag von Charles Peyton bekommen und die sein Interesse an diesem Fall noch mehr angefacht hatte.
Junge Männer werden ruiniert, es kommt zu verdächtigen Selbstmorden, ein Diener wird vermisst … Macht Ihr Fortschritte?
Bislang leider nein. Es war höchste Zeit, ungewöhnliche Wege zu beschreiten.
Lily wusste nicht, wie ihr geschah, als sich eine behandschuhte Hand auf ihren Mund drückte. Das musste ein böser Traum sein, befand ihr vernebelter Verstand, der die genauen Umstände nicht zu greifen vermochte. Sie blinzelte und wollte sich wegdrehen, konnte sich aber nicht bewegen. In diesem Augenblick begriff sie und geriet in Panik, schrie aus Leibeskräften.
Versuchte es zumindest, denn die Ansätze wurden sofort gedämpft. Ein erstickter Laut, mehr konnte sie nicht von sich geben. Und obwohl sie sich wand, hielt derjenige, der sich in ihr Schlafzimmer geschlichen hatte, sie unnachgiebig fest, schaffte es sogar, sie mit einer Hand niederzudrücken, während er die andere weiter auf ihren Mund presste.
»Ich werde Euch nicht wehtun.« Die Worte wurden leise gesprochen, und sie erkannte einen walisischen Akzent. »Aber jemand will mit Euch sprechen, Miss. Dringend. Still jetzt, oder das ganze Haus läuft zusammen. Denkt nur an den Skandal, wenn Ihr verkündet, da sei ein fremder Mann in Eurem Schlafzimmer gewesen. Könnt Ihr Euch kaum noch mal leisten, wie? Was,
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