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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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die Flasche von dem ruinierten Blatt Papier löste, stieß er mit dem Ellbogen gegen das Schreibset am Tischrand. Es rutschte ein Stück, dann kippte es über den Rand, sodass Blatt um Blatt Pergamentpapier zu Boden fielen, jedes Einzelne sorgfältig mit Lotties unverwechselbarer Handschrift bedeckt. Sie neigte zu dramatischen Schnörkeln und energischen Federstrichen. Ihre i zierten keine ordentlichen Punkte, sondern theatralische Tintenkleckse. Als er eine der Seiten aufhob, spürte Hayden, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Seine Frau schrieb so, wie sie liebte – mit ungezügelter Leidenschaft und überschwänglicher Begeisterung, die einen etwaigen Mangel an Sorgfalt und Genauigkeit mehr als wettmachte.
    In der Annahme, dass es sich um eine Art Tagebuch über die Haushaltsführung handeln musste, wie es die meisten Damen führten, bückte er sich, um auch die restlichen Seiten aufzuheben und sie wieder in das Fach im Boden des Schreibsets zu stecken, als ihm die erste Zeile auf der obersten Seite geradezu ins Auge sprang:
Ich werde niemals jenen Moment vergessen, da ich zum ersten Mal den Mann erblickte, der mich umzubringen plante …
    Haydens Lächeln verblasste langsam, während er sich auf dem Schreibtischstuhl niederließ und zu lesen begann.

18
    Eine Katastrophe! Ich bin entdeckt!
    »Lottie! Lottie, wach auf! Es ist fast schon Zeit für den Tee!« Bei dem Entsetzen, das bei dieser Nachricht in Harriets Stimme mitschwang, hätte man meinen können, den Nachmittagstee zu versäumen wäre etwa ebenso schrecklich, wie die letzte Kutsche zum Himmel am Tag des jüngsten Gerichts zu verpassen.
    Mit einem Stöhnen zog sich Lottie ein Kissen über den Kopf. Aber Harriet ließ sich nicht so leicht entmutigen. Sie zog das Kissen zur Seite und öffnete mit Daumen und Zeigefinger eines von Lotties Augen.
    »Du musst aufwachen«, rief sie, als litte Lottie nicht nur unter Müdigkeit, sondern auch noch Taubheit. »Es ist Sir Neds letzter Tag hier, und du hast ihn schon beinahe ganz verschlafen.« Lottie betrachtete ihre Freundin finster mit einem Auge, während Harriet ein Glas Wasser vom Nachttischchen nahm und vorsichtig daran schnupperte. »Ach du liebe Güte, der Marquis hat dich doch wohl nicht vergiftet, oder?«
    Trotz Lotties gegenteiliger Beteuerungen beharrte Harriet auf ihrer Überzeugung, dass Hayden ein gefährlicher Irrer war, der nur auf die perfekte Gelegenheit wartete, sie alle in ihren Betten zu ermorden.
    Lottie schob Harriets Hände beiseite und setzte sich auf. »Hör auf damit, Harriet. Niemand hat mir Arsen in den Tee getan. Ich habe letzte Nacht nur wenig geschlafen.«
    Als Lottie ihre müden Glieder reckte, wurde sie peinlich genau an alles erinnert, was sie letzte Nacht getan hatte. Sie hatte an Stellen Muskelkater, von denen sie nie gewusst hatte, dass sie dort überhaupt Muskeln besaß. Wäre nicht ein warmes, leicht prickelndes Gefühl von Wundheit gewesen, sie hätte sich gefragt, ob das alles nicht doch nur ein köstlicher Traum gewesen war. Vielleicht wäre es einfacher, daran zu glauben, wenn sie in Haydens und nicht in ihrem eigenen Bett aufgewacht wäre, am besten noch in seinen Armen.
    »Harriet«, fragte sie und schlang die Arme um ihre angezogenen Knie, »hast du es nie sonderbar gefunden, dass der Marquis und ich uns kein gemeinsames Schlafzimmer teilen?«
    Ihre Freundin zuckte die Schultern. »Nicht wirklich. Meine Eltern ertragen es kaum, im selben Haus zusammenzuleben. Also sag schon, was hat dich letzte Nacht wach gehalten? War es die Rückkehr des Geistes?« Harriet warf einen besorgten Blick über ihre Schulter. »Offenbar habe ich den Lärm verschlafen, aber die Dienstboten flüstern schon den ganzen Morgen darüber. Jemand oder
etwas
hat wieder im Musiksalon Klavier gespielt. Zuerst dachten alle, es sei Allegra, aber als Martha nach ihr schaute, lag sie friedlich schlafend in ihrem Bett. Meggie sagt, Martha kam in den Dienstbotenflügel geeilt, als stünde ihr Rock in Flammen.« Harriet schien davon überaus angetan. »Oh, und dieses Mal war kein Wehklagen zu vernehmen, aber nachdem die Musik verstummt war, so schwören es die Diener, war das allerschaurigste Stöhnen zu hören.«
    »Was du nicht sagst!« In der Hoffnung, sowohl ihr Lächeln als auch ihr Erröten zu verbergen, hielt sich Lottie eine Hand vor den Mund und tat so, als müsste sie gähnen.
    Harriets Augen wurden noch runder und größer. »Martha hat mir erzählt, es hätte sich angehört, als

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