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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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aus dem Fenster im zweiten Stock des Hauses ihrer Tante fiel, verlockend. Vielleicht könnte es ihr gelingen, aus dem Fenster zu steigen und in den mondlichtgesprenkelten Schatten zu verschwinden, solange ihr Gastgeber anderweitig beschäftigt war.
    Aber bevor Lottie mehr tun konnte, als sich ihren Umhang zu holen, kam eine Frau in einer weinroten Pelisse, einem perlenbesetzten Kleid, in den Raum gefegt, das schimmernde kastanienbraune Haar zu einer beeindruckenden Hochfrisur aufgesteckt. Niemand konnte ihr Schönheit absprechen, obwohl sie eher greller Natur war, mehr zu Covent Garden und auf die Theaterbühne passte als auf die Titelseite von
La Belle Assemblee.
    Der Marquis folgte ihr dicht auf den Fersen. »Ich glaube, Sie haben einen Fehler gemacht, Miss. Sie können hier nicht einfach hereinplatzen, als gehörte Ihnen das Haus.«
    »Da kann es keinen Fehler geben«, erwiderte die Frau. »Das hier ist die Adresse, die meinem Kutscher genannt wurde.« Sie zog ihre schwarzen spitzenbesetzten Handschuhe aus und begann, die seidenen Verschnürungen ihrer Pelisse zu öffnen. Ihre elegante Erscheinung stand in verblüffendem Widerspruch zu ihrem breiten East-End-Akzent. »Wir beeilen uns lieber, wissen Sie. Es ist kalt und nass wie in einer Gruft da draußen. Der arme Kerl wird nicht ewig warten.« Sie musterte Hayden von oben bis unten, wie eine Hafenratte ein besonders saftiges Stück Käse beäugen würde, ehe sie leise bemerkte: »So schade das auch ist.«
    Lottie musste, ohne es zu merken, einen Laut von sich gegeben haben. Die Frau fuhr zu ihr herum. »Was macht sie denn hier?«
    Hayden war entschlossen, sich nicht vom Thema abbringen zu lassen. »Vielleicht sollte die Frage lauten: ›Was tun Sie hier?‹«
    Die Frau blinzelte erstaunt. »Nun, Mrs. McGowan schickt mich.«
    Mrs. McGowan. Fanny Wilson.
Jetzt machten die Namen in Lotties Verstand plötzlich erschreckend Sinn, hallten in ihrem Kopf wider wie Misstöne eines verstimmten Klaviers. Sie hatte sie oft genug in den Skandalblättchen gelesen. Beide Frauen waren berüchtigte Mitglieder der Demimonde, Frauen, die ihre Körper an jene verkauften, die reich genug waren, sich die teuersten und ausgefallensten Vergnügen leisten zu können. Ihr Gesicht wurde vor Entsetzen knallrot, als ihr langsam dämmerte, für wen – und was – Hayden St. Clair sie gehalten hatte. Sie hielt ihren Umhang krampfhaft vor ihr ruiniertes Oberteil, fühlte sich aber dennoch nackt.
    Die Frau begann, um Lottie herumzugehen, ließ ihren Blick von ihren Füßen zu ihrem Kopf gleiten, so wie sie es vor wenigen Minuten erst bei Hayden getan hatte. »Der feine Herr, der mich bestellt hat, hat kein Wort über Ihre Lady hier verloren.«
    Ihre Lady.
Die Worte sandten ihr einen merkwürdigen Schauer über den Rücken. Sie wartete, dass der Marquis die Frau korrigierte, aber er schwieg.
    »Mit all der sahnigen Haut und diesen großen blauen Augen ist sie ein appetitlicher Happen, was?« Zu Lotties unermesslicher Erleichterung richtete die Frau ihre Aufmerksamkeit wieder auf Hayden, ein habgieriges Glitzern in den Augen. »Aber für mich ist es unerheblich, wie niedlich sie ist. Wenn Sie zusehen wollen, wie ich es mit ihr treibe, kostet das das Doppelte. Vergnügen wie diese gibt es nicht billig, auch für einen feinen Herrn wie Sie nicht.«
    Hayden legte seinen Kopf schief und musterte Lottie mit nachdenklicher Miene. Einen entsetzlichen Augenblick lang dachte sie, er würde tatsächlich den widerwärtigen Vorschlag der Dirne in Betracht ziehen. Dann aber sagte er schließlich sehr, sehr leise, als wären er und Lottie die einzigen Anwesenden im Zimmer: »Wenn sie von Mrs. McGowan kommt, was tun Sie dann hier?«
    »Ich … äh, ich gehe gerade.« Lottie setzte ein strahlendes Lächeln auf und bewegte sich vorsichtig auf die Tür zu. »Da Ihr Butler heute Nacht frei hat, finde ich allein den Weg hinaus. Sie brauchen sich nicht zu bemühen.«
    Er trat einen Schritt vor und verstellte ihr den Weg. »Das wird nicht nötig sein. Ich denke, mein anderer Gast ist es, der gehen wird.«
    »Dann bringe ich sie rasch zur Tür«, schlug Lottie vor und packte den Arm der Frau, als würde sie gerade in der Themse ertrinken und jemand hätte ihr ein Rettungsseil zugeworfen.
    »He, einen Moment mal, mein Herr«, protestierte die Frau und entriss Lottie ihren Arm. »Ich will nicht, dass mein guter Ruf leidet. Jeden Tag – und jede Nacht – hat Lydia Smiles einen Kunden nie anders als befriedigt

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