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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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an den Fenstern, und die schiefen Fensterläden klapperten.
    Ihr Blick wanderte zu der unverschlossenen Tür.
    Was, wenn Hayden sie gar nicht vernachlässigte, sondern sich einfach Zeit ließ, bis der Rest des Haushalts schlief. Vielleicht hatte er deshalb letzte Nacht im Gasthaus darauf verzichtet, sie in ihrem Bett aufzusuchen. Vielleicht hatte er abgewartet, bis sie sein Königreich am Meer erreichten, wo sein Wort und sein Wille immer noch Gesetz waren.
    Jetzt, da er frei war von den Beschränkungen der Gesellschaft, war er vielleicht in diesem Augenblick bereits auf dem Weg in ihr Zimmer, um ihr Gewalt anzutun? Lottie erschauerte; bei dem Gedanken rann ihr das Blut gleichzeitig heiß und kalt durch die Adern. Zum ersten Mal begriff sie, wie sehr sie seiner Gnade ausgeliefert war. Hier an diesem Ort gab es keine Laura, die sie vor Gefahren warnte, kein George, der zu ihrer Rettung herbeieilte, kein Sterling, der sie vor sich selbst beschützte. Sie hatte bloß ihren Verstand, auf den sie sich verlassen konnte.
    Sie kniff die Augen zusammen und versuchte verzweifelt, sich in den Schlaf zu träumen.
    So lag sie lange da und lauschte auf das leise Knarren und Seufzen des Hauses um sich herum. Sie war gerade dabei einzuschlafen, als ein gespenstisches Wimmern sie aufschreckte, sodass sie senkrecht im Bett saß. Einen Moment lang hörte sie nur das Klopfen ihres eigenen Herzens in ihren Ohren. Dann war der unheimliche Schrei erneut zu vernehmen, so voller Qual, dass man es nicht dem Wind zuschreiben konnte.
    Als käme sie aus einer anderen, wesentlich unbekümmerteren Zeit ihres Lebens, hörte Lottie ihre eigene Stimme:
In
The Tatler
stand das faszinierende Gerücht zu lesen, dass der Geist seiner verstorbenen Frau in den Hallen von Oakwylde Manor spuken und dabei wehklagend nach ihrem verstorbenen Liebhaber rufen soll.
    Sie zog sich das Kissen über den Kopf, und ihr klapperten vor Angst die Zähne. Obwohl sie die meiste Zeit ihres Lebens von Gespenstern gelesen und über sie geschrieben hatte, war sie sich bis eben nicht sicher gewesen, ob sie überhaupt an solche glaubte. Es war jedoch völlig ausgeschlossen, dass jenes klagende Geräusch aus einer menschlichen Kehle kam.
    Sie kauerte sich unter die Decken, für eine Ewigkeit, wie es ihr schien, ehe ein Funken Scham sich in ihre Angst mischte. Sie benahm sich kaum wie die unerschrockene Heldin, die zu sein sie sich immer eingebildet hatte. Wenn dies ein Schauerroman wäre oder sogar eine ihrer eigenen Geschichten, dann wäre die mutige junge Heldin mehr als nur darauf erpicht, sich eine Kerze zu nehmen und die bedrohlichen Schatten des düsteren Schlosses zu erkunden.
    Lottie nahm all ihren Mut zusammen, schlug die Decken zurück und schwang ihre eiskalten Füße aus dem Bett. Harriet mochte vor der Aussicht zurückschrecken, ein Gespenst in Fleisch und Blut – beziehungsweise eben nicht – zu treffen, doch sie selbst, die Marquise von Oakleigh, war aus härterem Stoff gemacht.
    Hayden wanderte über die verlassenen Korridore von Oakleigh Manor wie ein Phantom. Dunkelheit hatte sich schon vor Stunden über das Herrenhaus gelegt, und inzwischen waren auch die mutigsten seiner Bediensteten sicher hinter den verriegelten Türen ihrer Unterkünfte. Er würde keiner Menschenseele begegnen – wenigstens keiner lebenden.
    Er fragte sich bereits, welcher Teufel ihn geritten hatte, seine junge Braut hierher zu bringen. Er hätte ihr erlauben sollen, sich ihren eigenen Haushalt in dem gemieteten Haus in Mayfair einzurichten, wo sie sicher und geborgen im Schoß ihrer Familie hätte bleiben können. Sie wären gewiss nicht das erste Ehepaar der guten Gesellschaft, das getrennte Haushalte führte.
    Oder in getrennten Betten schlief.
    Marthas Augen hatten tadelnd gefunkelt, als sie gekommen war, ihn davon zu unterrichten, dass Lottie es abgelehnt hatte, die luxuriösen Räumlichkeiten der Marquise zu beziehen, und stattdessen mit einem einfachen Schlafzimmer in der Nähe des Schulzimmers vorlieb genommen hatte. Als er angeordnet hatte, ihr eine herzhafte Mahlzeit auf ihr Zimmer zu bringen, zusammen mit ein paar Happen für ihre Katzen, hatte er fast damit gerechnet, sein altes Kindermädchen würde sich schlichtweg weigern. Was erwartete Martha eigentlich von ihm? Dass er seine Braut verhungern ließ? Oder dass er zum Ostflügel ging und sie an den Haaren in sein Schlafzimmer zerrte?
    Martha mochte es vielleicht nicht begreifen, aber Lottie war genau da, wo sie sein sollte.

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