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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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trat in den Korridor. Meggie beobachtete mit weit aufgerissenen Augen, wie sie näher kam.
    Hayden folgte Lottie und befahl barsch: »Lasst sie hinein.«
    Obwohl die Augen des Dienstmädchens noch größer wurden, kam es ihr nicht in den Sinn, ihrem Herrn nicht zu gehorchen. Meggie öffnete die Tür und suchte rasch Schutz in Jems Armen.
    Lotties Schritte verrieten kein Zögern, noch nicht einmal, als eine Porzellanschüssel dicht an ihrem Kopf vorbeizischte und an der Wand des Flures zerschellte, nur wenige Zoll entfernt von der Stelle, wo Hayden stand. Sie griff einfach hinter sich und schloss die Tür direkt vor seiner Nase. Nach dem Chaos zu urteilen, das sich ihrem Blick bot, schien es, als würden Allegra bald die Wurfgeschosse ausgehen.
    Das Mädchen hockte in der Mitte eines riesigen Himmelbettes und umklammerte verzweifelt die zerwühlte Bettdecke. Ihr Gesicht war fleckig vor Zorn, ihre langen dunklen Wimpern tränenverklebt. Während Lottie sie ruhig musterte, stieß Allegra einen ohrenbetäubenden Schrei aus und nahm den letzten Gegenstand, der noch auf dem Bett lag – Lotties Puppe. Sie hielt sie an einem Fuß, hob den Arm und holte aus.
    »Das würde ich an deiner Stelle nicht tun.« Obwohl Lotties Stimme leise war, schwang dennoch genug Drohung darin, um das Mädchen innehalten zu lassen. Besonders, als Lottie noch einmal hinter sich griff, diesmal, um den Schlüssel im Schloss umzudrehen.
    Allegra, die wild um sich blickend und schwer atmend dasaß, ließ die Puppe langsam sinken. »Haben die anderen dich nicht gewarnt? Man sollte mir nicht zu nahe kommen, wenn ich so bin wie jetzt. Ich bin verrückt, weißt du. I-i-ich kann mich nicht beherrschen. Ich schlage dich vielleicht oder trete dich oder kratze dich … oder … oder …« Sie bleckte ihre perlweißen kleinen Zähne. »Himmel, oder ich beiße dich sogar!«
    »Wenn du das tust, dann beiße ich zurück. Darin habe ich Erfahrung, musst du wissen. Einmal habe ich sogar den König gebissen.«
    Allegra blieb der Mund offen stehen. »Von England?«
    »Genau den. Sechs Wachen waren nötig, meine Zähne von seinem Arm zu lösen. Oder waren es acht?« Genau genommen waren es nur drei gewesen, aber Lottie hatte das Gefühl, ein wenig Übertreibung konnte nicht schaden, weder in der Literatur noch im Leben.
    Sie schlenderte zum Bett. Allegra rutschte nach hinten, bis sie mit den Schultern an das Kopfteil stieß. »Ich warne dich! Komm mir nicht zu nahe. Wenn du das tust, dann werde ich … werde ich den Atem anhalten, bis ich blau werde.«
    »Na, dann los. Lass dich von mir nicht aufhalten.« Lottie setzte sich ans Fußende des Bettes und lächelte das Kind erwartungsvoll an.
    Eher irritiert als wütend sog Allegra in tiefen Zügen Luft ein, schürzte die Lippen und blies die Backen auf. Während die Augen des Kindes leicht hervortraten und ihr Gesicht sich langsam von Rosa zu Violett verfärbte, zählte Lottie leise. Sie war erst bei fünfunddreißig angekommen, als Allegra nach Luft keuchend in die Kissen fiel.
    »Nicht sehr beeindruckend, fürchte ich«, bemerkte Lottie mit einem bedauernden Kopfschütteln. »Als meine Schwester einmal den letzten Teekuchen meinem Bruder gegeben hat, habe ich den Atem für knapp zwei Minuten angehalten. Als ich fertig war, weinte meine Schwester, und George lag auf seinen Knien und flehte mich an, seinen Kuchen zu essen.«
    Allegra setzte sich auf, senkte den Kopf wie ein Bulle kurz vor dem Angriff. Ganz offensichtlich hatte sie sich ihre schlimmste Drohung für den Schluss aufgehoben. »Wenn du nicht sofort mein Zimmer verlässt, schreie ich.«
    Lottie lächelte nur.
    Allegra öffnete den Mund.
    Lottie schrie.
    Es war ein wahres Meisterstück von einem Schrei, aus voller Kehle und kräftigen Lungen, einer Opernsängerin würdig, dazu gemacht, jedes Trommelfell innerhalb eines Umkreises von fünfzig Meilen zum Platzen zu bringen. Wenn noch ein Stück heiles Porzellan im Raum gewesen wäre, es wäre in tausend Scherben zersprungen.
    Erst als der Schrei zu Ende ging, wurde sich Lottie der Tatsache bewusst, dass mit Fäusten gegen die Tür gehämmert wurde und eine Männerstimme ihren Namen rief. Die Tür brach aus den Angeln und flog ins Zimmer. Hayden stolperte gleich darauf herein, blieb jäh stehen, verblüfft, dass Lottie friedlich am Fußende des Bettes saß, vollkommen unversehrt, ein heiteres Lächeln auf den Lippen, während Allegra völlig verängstigt auf ihrem Kopfkissen kauerte und sich mit beiden Händen

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