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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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standzuhalten. »Manche Versuchungen – wie gefährlich auch immer – werden mit der Zeit nur süßer.«
    Hinter den dicken Gläsern einer übergroßen Brille, die ihr aus der Dienerschaft geliehen worden war, blinzelte Harriet beide verwirrt an und nahm sich eine Hand voll Teekuchen mit Zuckerglasur, offenbar in der Hoffnung, dass, wenn ihr Mund immer voll war, Hayden sie nicht direkt ansprechen würde.
    »Sagen Sie, Miss Dumwinkle«, wandte er sich liebenswürdig an sie, nachdem sie sich den Kuchen in den Mund gesteckt hatte, »gefällt Ihnen Ihr Aufenthalt in Cornwall?«
    Harriet stellte ihre Teetasse ab, wobei ihre Hand so zitterte, dass die Tasse auf der Untertasse schepperte. »Oh ja, sehr sogar, Mylord«, antwortete sie undeutlich mit vollem Mund. »Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, dass Sie meinen Eltern geschrieben und sie gebeten haben, mir zu erlauben, hier zu bleiben, damit ich Lottie Gesellschaft leiste. Himmel, wenn Sie mich nach Kent zurückgeschickt hätten, ich wäre einfach gesto …« Harriet brach jäh ab und vergaß, weiterzukauen, während sie ihn mit wachsendem Entsetzen anschaute.
    »Gestorben?«, half ihr Hayden freundlich aus und hoffte, dass sie schlucken würde.
    Unvermittelt erklärte Allegra plötzlich: »Lotties Mutter ist gestorben, als Lottie erst drei Jahre alt war. Sie ist in einem Feuer verbrannt. Lottie kann sich noch nicht einmal erinnern, wie sie aussah. Ist das nicht traurig?«
    Verstohlen musterte Hayden seine Frau. Sie sah genauso erstaunt aus, wie er sich fühlte. »Ja, das ist es«, pflichtete er seiner Tochter ernst bei. »Schrecklich traurig.«
    Allegra weigerte sich immer noch, einen von ihnen anzuschauen, und wiegte Mirabella im Arm wie ein übel gelauntes, herausgeputztes Wickelkind. »Lottie sagt, ich sollte dankbar sein, dass ich mich an meine Mama erinnere.«
    Hayden spürte, wie ihm die Kehle eng wurde. »Und das sollst du auch«, gelang es ihm schließlich hervorzupressen und so mit seiner Tochter zum ersten Mal seit ihrem Tod über Justine zu sprechen. »Sie hat dich sehr geliebt.«
    Er schob den Stuhl zurück und erhob sich unbeholfen. Das gelbe Kätzchen rutschte zu Boden und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wenn die Damen mich nun bitte entschuldigen wollen, ich habe noch zu tun. Ich bin mir sicher, Lottie und Allegra, ihr wollt nach dem Tee gleich mit dem Unterricht fortfahren.«
    Hayden blieb nicht lang genug, um zu entscheiden, wer bei der Erwähnung von Unterricht schuldbewusster aussah, seine Tochter oder seine Ehefrau. Sein einziger Gedanke galt der Flucht. Aber als er den langen Korridor zu seinem Arbeitszimmer hinunterging, verfolgte ihn der fröhliche Klang ihres Lachens viel nachdrücklicher als irgendein Gespenst.
    Hayden erkannte bald, dass es keinen Ort gab, an den er sich zurückziehen konnte, um ihrer Fröhlichkeit zu entkommen. In den folgenden Tagen hallte ihr Gelächter in ungezügelten Ausbrüchen aus dem Schulzimmer, so wenig gedämpft wie das geheimnisvolle Poltern, das ihm unvermeidlich vorausging. Es drang in der Abenddämmerung durch das offene Fenster seines Arbeitszimmers, als Lottie und Allegra im Garten mit den Kätzchen Fangen spielten. Es plätscherte nach dem Essen aus dem Empfangssalon, wenn Lottie laut aus einer ihrer heiß geliebten Schauergeschichten vorlas, wobei ihr theatralischer Vortragsstil mehr Kichern als Erschauern hervorrief. Als Hayden eines Tages Meggie und Jem dabei ertappte, wie sie hinter der Salontür standen und gebannt jedes Wort verfolgten, konnte er sich nicht überwinden, sie zu schelten, obwohl sie sein eigenes Versteck mit Beschlag belegt hatten.
    Noch schlimmer als das Lachen jedoch war die Musik. Nun, da die Türen des Musikzimmers weit aufgestoßen worden waren, wusste Hayden nie, wann sie durch das Haus tönen und die Mauern der Stille einreißen würde, die er in den letzten vier Jahren um sich errichtet hatte. Das war die eine Neuerung, die er nicht ertragen konnte. Wann immer Allegra spielte, fand er etwas, das er im Dorf erledigen musste, oder sonst eine Ausrede, das Haus zu verlassen – wie sehr sie auch an den Haaren herbeigezogen war oder eher einem Verwalter oblag als dem Gutsherrn selbst. Oder er schwang sich auf sein Pferd und preschte in halsbrecherischem Tempo übers Moor.
    Obwohl es eine Freude war, sein Kind unter der Zuwendung seiner jungen Frau aufblühen zu sehen, führte das wachsende Band zwischen den beiden auch dazu, dass Hayden sich immer mehr

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