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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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gemein zu dir? Jemand außer mir?«
    Sie erntete ein ersticktes Auflachen unter Tränen. Lottie hob den Kopf und lächelte das Kind aus feuchten Augen an. »Niemand ist gemein zu mir gewesen. Ich bin heute nur ein bisschen traurig.«
    »Hier.« Allegra hielt Lottie ihre alte Puppe hin. »Wenn ich traurig bin, dann drücke ich sie manchmal ganz fest und fühle mich gleich besser.«
    Von der unerwarteten Großzügigkeit ihrer Stieftochter überrascht, nahm Lottie ihre alte Puppe und drückte sie vorsichtig. Erstaunlicherweise fühlte sie sich tatsächlich etwas besser. Aber nicht annähernd so gut, wie in dem Moment, als Allegra ihre kleine Hand in ihre schob.
    »Wir beide wollten gerade frühstücken«, bemerkte Allegra. »Warum kommst du nicht mit? Es sei denn, du bist nicht hungrig.«
    Lottie schaute versonnen auf ihre verschränkten Hände. Hayden mochte sie vielleicht nicht brauchen, aber seine Tochter schon.
    Sie wischte sich die letzten Tränen weg und ließ sich von Allegra auf die Füße ziehen. »Sei nicht dumm«, erklärte sie und schlenkerte beschwingt ihre verschränkten Hände, während sie zum Haus gingen. »Ich bin niemals zu sehr
irgendetwas,
um nicht hungrig zu sein.«
    Hayden St. Clair wurde von einem Geist verfolgt.
    Dieser Geist war jedoch viel hartnäckiger als jedes Gespenst, das zwischen den Seiten eines Schauerromans zu finden war. Er wehklagte nicht wie eine Todesfee und warf auch kein geheimnisvolles Licht aus dem Fenster eines leer stehenden Zimmers. Er klirrte nicht nach Mitternacht mit Ketten oder geisterte im Mondschein durch Flure, den Kopf unterm Arm. Noch spielte er berückend schöne Melodien auf dem Flügel im Musiksalon oder weckte ihn aus tiefstem Schlaf mit einem schwülen Duft, der sich schon vor Jahren verflüchtigt haben müsste.
    Ganz im Gegenteil, er verfolgte ihn im Schlafen wie im Wachen, jede Minute des Tages, eroberte kühn jeden Raum seines Hauses, bis es keinen Ort mehr gab, an dem er ihm entfliehen konnte.
    Seinen ersten Vorgeschmack darauf hatte er ein paar Tage nach dem nächtlichen Zusammentreffen mit Lottie im Musiksalon bekommen. Er ging gerade an den Türen zum Empfangssalon vorbei, als er ein höchst seltsames Geräusch hörte. Er blieb wie erstarrt stehen, neigte den Kopf zur Seite und lauschte. Der Laut war ihm nicht völlig fremd, er hatte ihn sogar schon viele Male zuvor gehört, aber vor so langer Zeit, dass es fast wie eine Melodie aus einem Traum war.
    Seine Tochter kicherte.
    Unfähig, dem Sirenengesang zu widerstehen, ging er wieder zurück und spähte vorsichtig um den Türbogen, der die Salontür einfasste.
    Lottie, Harriet, Allegra und Lotties zerzauste alte Puppe saßen um einen Tisch mit Teakholzintarsien und nahmen ihren Nachmittagstee ein. Sie trugen kunstvolle Hüte, verziert mit bunten Federn, Bändern, Blumen und Netzstoff. Hayden stutzte, dann erkannte er, dass Lotties Puppe einen ausgestopften Papagei auf der Schulter sitzen hatte. Der zerzauste Vogel passte ausgezeichnet zu ihrer Augenklappe und ihrem abenteuerlustigen Grinsen. Jetzt fehlte nur noch ein Fernrohr, und schon könnte sie in See stechen.
    Sogar Mirabelle trug einen Hut – einen Babyhut aus elfenbeinfarbener Spitze, der unter ihrem pelzigen Kinn mit einer Schleife gebunden war. Allegra hielt das sich windende Tierchen auf ihrem Schoß fest, damit es nicht flüchtete, und kicherte jedes Mal, wenn die bedauernswerte Kreatur mit der Pfote nach den Bändern ihrer Kopfbedeckung schlug.
    Offensichtlich war Hayden der Einzige, der keine Einladung zu der kleinen Teegesellschaft erhalten hatte. Drei der Kätzchen, die Lottie ihm geschenkt hatte, saßen auf dem Tisch und leckten Sahne aus einem Untersetzer, während ihr gelbes Geschwisterchen damit beschäftigt war, um ein Tischbein herum nach seinem Schwanz zu jagen.
    Als Allegra einen rüschenbesetzten Unterrock zu Mirabellas eleganter Aufmachung hinzufügte, liefen Kürbis und Mr. Zappel schnurstracks aus dem Zimmer, weil sie offenbar fürchteten, einer ähnlich entwürdigenden Behandlung unterworfen zu werden. Hayden wusste, er wäre gut beraten, es ihnen nachzutun. Trotzdem blieb er, wo er war, und zögerte, der anheimelnden Szenerie den Rücken zu kehren.
    Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn das gelbe Kätzchen entdecken würde. Ehe er sich unbemerkt entfernen konnte, kam es auf ihn zugelaufen und miaute aus voller Kehle.
    »Verräter«, murmelte Hayden und versuchte, es mit dem Fuß vorsichtig wegzuschubsen^Aber es war

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