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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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eine junge Dame als wie ein kleines Mädchen aus.
    Ein Stoßgebet zum Himmel schickend, dass sie keinen schrecklichen Fehler begangen hatte, gab Lottie sich große Mühe, nicht alle drei Sekunden zur Tür zu schauen. Jede Minute rechnete sie damit, dass Giles erscheinen und verkünden würde, Mylord bedaure sehr, aber er sei in einer dringenden Angelegenheit abberufen worden, die unverzüglich seine persönliche Anwesenheit erfordere. Wie zum Beispiel einen Stein aus dem Huf seines Pferdes zu entfernen oder das ausgewaschene Mauerwerk an der Auffahrt zu begutachten.
    Auf ihrem Platz neben Sir Ned auf dem Diwan trank Harriet einen Schluck Punsch. »Ich hoffe nur, Sie werden von meinem stümperhaften Gesang nicht allzu enttäuscht sein, Sir.«
    »Sie müssen sich keine Sorgen machen, Miss Dumwinkle«, erwiderte Ned und zwinkerte Lottie zu. »Man darf wohl kaum von einer Dame erwarten, sowohl das Gesicht als auch die Stimme eines Engels zu besitzen.«
    Verlegen senkte Harriet den Kopf über ihre Tasse und kicherte entzückt.
    »Es ist bereits eine Viertelstunde später als der Zeitpunkt, zu dem ich mich gewöhnlich zu Bett begebe«, verkündete Miss Terwilliger. »Ich hätte nie zugestimmt, dieses Gelage durch mein Talent zu bereichern, hätte ich geahnt, dass sich die Veranstaltung bis in die frühen Morgenstunden hinziehen würde.«
    Lottie blickte auf ihre kleine Uhr. Es war halb acht.
    »Wir müssen nicht länger warten.« Allegra setzte sich auf die Klavierbank und studierte die Spitzen ihrer Ziegenlederschuhe. »Er kommt nicht.«
    »Oh, da wäre ich mir nicht so sicher.«
    Alle fuhren zu der Flügeltür herum. Hayden stand auf der Türschwelle. Seine knappe Verbeugung unterstrich die lässige Eleganz seiner Erscheinung. Als ihre Blicke sich trafen, raubte der müde Ausdruck seiner Augen Lottie einen Moment den Atem. Mit dem entschlossen vorgeschobenen Kinn und der störrischen Locke, die ihm immer wieder in die Stirn fiel, hatte er nie besser ausgesehen. Obwohl sie die Ankunft ihres Vaters mit keiner Geste oder Begrüßung zur Kenntnis genommen hatte, rötete sich Allegras Gesicht vor Freude.
    Hayden wählte den Stuhl neben Lottie, sodass sie bei jedem Einatmen den männlich-frischen Duft seines Rasierwassers roch. Sie konnte es sich nicht verkneifen, sich zu ihm hinüberzubeugen und zu wispern: »Du siehst aus, als wärest du gezwungen, einer öffentlichen Hinrichtung beizuwohnen.«
    »Das tue ich doch«, flüsterte er zurück, und das höfliche Lächeln schien auf seinen Zügen festgefroren zu sein. »Meiner eigenen.«
    Da alle geladenen Gäste nunmehr vollzählig erschienen waren, begaben sich Lottie und Harriet zum Notenständer, um mit ihrem Duett anzufangen. Während Lotties Stimme glockenhell klang, hätte Harriets besser zu einem Lied gepasst, das nicht mit »Horch, horch, die Lerch« beginnt, sondern mit »Horch, horch, der Frosch«.
    Zweifelsohne aus Angst vor einer Zugabe sprang Ned auf, sobald der letzte Ton verklungen war, klatschte begeistert und rief: »Bravo! Bravo!«
    Lottie verbeugte sich kurz und zog die strahlende Harriet mit sich zurück zum Diwan.
    Als Nächstes stand Miss Terwilligers Solo auf dem Programm, aber keiner von ihnen hatte das Herz, sie aufzuwecken. Auf Lotties ermutigendes Nicken hin, erhob sich Allegra langsam und mit bebenden Händen, um ihren Platz am Piano einzunehmen.
    In dem Augenblick, da ihre kleinen Hände jedoch die Tasten berührten, hörten sie wie durch einen Zauber auf zu zittern, und mit ihrer Anmut schlug sie augenblicklich alle Anwesenden in Bann.
    Sobald die ersten Töne aus dem Instrument emporstiegen, schaute Lottie verstohlen zu Hayden. Bildete sie sich das Entsetzen in seinen Augen und den feinen Schweißfilm auf seiner Stirn nur ein? Sie hatte die Stühle absichtlich so gestellt, dass sie mit dem Rücken zu Justines Portrait saßen, aber vielleicht konnte er ihren wissenden Blick im Nacken spüren.
    Allegra hatte gerade den dramatischen Höhepunkt des Stückes erreicht, als Hayden aufsprang. Ihre Finger erstarrten mitten im Spiel, und der unbeendete Akkord verklang in der Stille.
    »Es tut mir Leid«, erklärte er mit erstickter Stimme. »Es tut mir ganz schrecklich Leid, aber ich kann nicht … ich kann es einfach nicht …«
    Mit einem flehentlichen Blick zu Lottie drehte er sich um und verließ den Raum.
    Lottie saß an dem Schreibpult in ihrem Schlafzimmer, die Hand auf dem Papier, aber ohne etwas zu schreiben. Was sich zunächst so leicht in kühnen

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