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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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»Weil er sie liebte.«
    Bei seiner Antwort schien Ned seine Worte sorgsam abzuwägen. »Hayden wurde in jungen Jahren in die Rolle eines Aufpassers gedrängt. Oft hatte ich das Gefühl, dass seine Liebe zu Justine eher die Liebe eines Elternteils für sein Kind war als die eines Mannes für seine Frau. Er wusste im Grunde seines Herzens, dass sie niemals gleichberechtigt sein würden.« Dem Portrait den Rücken zukehrend, sah Ned sie mit einem herausfordernden Blick an. »Ich hatte immer das Gefühl, dass er eine Ehefrau braucht, die ihm in nichts nachsteht, sowohl im Schlafzimmer als auch außerhalb.«
    Dann entschuldigte sich Ned mit einer höflichen Verbeugung und ließ Lottie mit Justine allein, um über seine Worte nachzudenken.
    Am nächsten Tag war Hayden gerade damit beschäftigt, die Rechnungsbücher seiner Besitzungen zu prüfen und hatte den Kopf voller Zahlen, als plötzlich ein forsches Klopfen an der Tür seines Arbeitszimmers ertönte. Er war gezwungen, erst ein Kätzchen von seinem Schoß zu entfernen und ein weiteres von seinem Fuß, ehe er aufstehen konnte. Auf halbem Weg zur Tür stolperte er über das dritte Kätzchen. Mit einem übertrieben nachsichtigen Seufzen schob er es zur Seite.
    Er öffnete die Tür. Niemand stand davor. Er steckte den Kopf zur Tür hinaus und schaute nach beiden Seiten, aber der Flur war leer. Er blickte nach unten und entdeckte zu seinen Füßen ein zusammengelegtes Stück Pergamentpapier. Jemand musste es unter der Tür hindurchgeschoben haben. Er faltete es auf und sah sofort, dass es sich um eine Einladung handelte, in einer kühnen Handschrift verfasst, die nur seiner Frau gehören konnte.
    Allem Anschein nach hatte sie beschlossen, zu Ehren ihres Gastes einen Musikabend zu geben. Lady Oakleigh und Miss Harriet Dumwinkle würden Schuberts »Ständchen« als Duett singen, während sich Miss Agatha Terwilliger verpflichtet hatte, »Ich küsst mein Lieb auf grüner Flur« auf der Harfe zu zupfen. Hayden erschauerte unwillkürlich, als er sich die Szene bildhaft vorstellte. Der Höhepunkt des Abends aber war unzweifelhaft Lady Allegra St. Clairs Vortrag der »Sturm-Sonate« von Beethoven am Klavier.
    Langsam ließ Hayden die Einladung sinken. Die »Sturm-Sonate« war eines von Justines Lieblingsstücken gewesen. Er hatte viele gemütliche Abende im Musikzimmer verbracht, ein lustig flackerndes Feuer im Kamin und Allegra auf seinem Schoß, während sie Justines meisterhaftem Spiel dieser wunderschönen, aufwühlenden Melodie lauschten. Doch wenn Justine zu schlafen aufhörte und sie ein Feuer von innen zu verzehren drohte, dann spielte sie das Stück immer wieder und wieder, die Töne so wild und dissonant, dass Hayden manchmal Angst bekommen hatte, er würde ebenfalls den Verstand verlieren.
    Bei dem Gedanken, wieder dort zu sitzen und das Stück zu hören, aber diesmal von Allegras kleinen Fingern gespielt, trat ihm kalter Schweiß auf die Stirn.
    Er konnte es aushalten, versicherte er sich und zerknüllte die Einladung geistesabwesend in der Hand. Für seine Tochter würde er es schaffen.
    Das sagte Hayden sich immer wieder, als er am Abend vor dem Ankleidespiegel in seinem Schlafzimmer stand. Er hätte sich mit seiner Aufmachung nicht mehr Mühe geben können, wäre er nach Windsor eingeladen worden, um mit dem König zu dinieren. Sein Kragen und seine Hemdsärmel waren frisch gestärkt, sein Halstuch so tadellos geknotet wie Neds, sein störrisches Haar zu einer einigermaßen ordentlichen Frisur gezähmt. Und doch war ihm der Mann, der ihm aus dem Spiegel entgegenstarrte, so fremd wie irgendein Wilder.
    Er zog seine Taschenuhr hervor und ließ sie aufschnappen. Vermutlich waren schon alle im Musiksalon versammelt und warteten darauf, dass er kam. Es würde niemanden großartig wundern und besonders nicht Lottie, wenn er Giles schickte und sich entschuldigen ließ.
    Wenn du weiterhin deine Gefühle verleugnest, dann fürchte ich, ist Bedauern alles, was dir bleibt.
    Als Neds warnende Worte ihm durch den Sinn gingen, zog Hayden seinen Rock ein letztes Mal glatt und kehrte dem Mann im Spiegel entschlossen den Rücken zu.
    Im Musiksalon ging Allegra in ihrem rosa Kleid unruhig auf und ab, sodass sie an einen verängstigten Schmetterling erinnerte. Mit Lotties Hilfe war ihr widerspenstiges Haar in glänzende Korkenzieherlocken gelegt worden, die ihr über den Rücken fielen. Obwohl ihren beiden Puppen Ehrenplätze vor dem Klavier zugewiesen worden waren, sah sie eher wie

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