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Eine skandalöse Lady

Eine skandalöse Lady

Titel: Eine skandalöse Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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Federstrichen in Schwarz auf Weiß einfangen ließ, schien nun immer mehr zu Grautönen zu verschwimmen. Die Personen in ihrem Roman kamen ihr nicht wirklicher vor als die schrecklichen Karikaturen irgendeines ungenannten Künstlers für die Skandalblättchen. Jedes Mal, wenn sie sich ihren Bösewicht vorzustellen versuchte, sah sie Haydens letzten Blick, den er ihr zugeworfen hatte, ehe er aus dem Musikzimmer geflohen war.
    Sie hatte sich an ihren Schreibtisch begeben, nachdem sie eine bedrückte Allegra zu Bett gebracht hatte. Obwohl sie alle das Mädchen gebeten hatten, nach Haydens Flucht weiterzuspielen, konnte noch nicht einmal Neds Charme sie dazu bewegen, auch nur einen einzigen Ton anzuschlagen. Sie hatte darauf bestanden, sich zurückzuziehen, ihr Gesicht blass und unglücklich. Lottie hätte es vorgezogen, wenn sie geschrien und geweint oder sogar einen ihrer Wutanfälle bekommen hätte. Der stoisch ertragene Kummer des Kindes erinnerte sie zu sehr an Hayden.
    Als sie merkte, dass sie die ganze Seite mit Tintenklecksen übersät hatte, öffnete sie den Deckel ihres Schreibsets, zog ein frisches Blatt Papier heraus und füllte ihren Federhalter noch einmal am Tintenfass. Sie hatte erst seit ein paar Minuten geschrieben, als die ersten geisterhaften Töne Klaviermusik an ihr Ohr drangen.
    Ihre Hand zuckte, sodass das Tintenfass umfiel. Die schwarze Flüssigkeit ergoss sich über die Seite und bedeckte alles, was sie geschrieben hatte.
    Während sie der herzerweichenden Schönheit dieser ungestümen, leidenschaftlichen Musik lauschte, schloss Lottie die Augen und flüsterte: »Oh, Allegra!«
    Hayden stand am Rand der Klippe und schaute hinab auf die Wellen, die sich wild schäumend an den Felsen unten brachen. Obwohl er sich mit seinen muskulösen Beinen dem Wind entgegenstemmte, umtoste dieser ihn mit wütender Macht und drängte ihn gefährlich nahe an den Abgrund. Über ihm flirteten die Wolken mit dem Mond, so flatterhaft und launisch, wie Justine es immer gewesen war. Hinter ihm lag das Haus dunkel und still; seine Bewohner waren schon lange zu Bett gegangen und träumten bereits.
    Hayden wusste, es wäre völlig unsinnig, heute Nacht sein Bett aufzusuchen. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, würde er den betroffenen Ausdruck auf den Gesichtern seiner Frau und seiner Tochter sehen, als er ihnen den Abend verdarb.
    Er stand immer noch an derselben Stelle, als der Wind die ersten leisen Töne Klaviermusik an sein Ohr trug. Es war dasselbe Stück, das Allegra heute Abend gespielt hatte, dasselbe Stück, das Justine früher wieder und wieder gespielt hatte, bei dem ihre Finger mit fieberhafter Leidenschaft die Tasten attackiert hatten. Als Hayden sich langsam umdrehte und zu den verdunkelten Fenstern des Hauses blickte, gewann die Musik an Kraft und Wut wie ein heraufziehender Sturm.
    Lottie ging den schattigen Korridor entlang, der zu dem Musikzimmer führte, während die Melodie der Sonate wie eine Welle über ihr zusammenschlug. Früher einmal hätten ihr solche Töne Angst gemacht, wären ihr unheimlich gewesen, aber sie wusste nun, dass sie nichts anderes vorfand, als ein verletztes, trotziges Kind. Die Tür zum Musikzimmer stand einladend offen, so wie immer seit der Nacht, in der Lottie herausgefunden hatte, dass sich Allegra als Gespenst verkleidet hatte.
    Lottie schlüpfte in den Raum, und der Saum ihres Nachthemdes fegte leise über den Boden. Mondlicht strömte durch das Oberlicht und umgab den Flügel mit einem matten Schimmer. So wie zuvor war der Deckel des Instruments offen gelassen worden und verbarg die Klavierbank und die Tasten vor ihrem Blick.
    Bei ihrem nächsten Atemzug roch sie den schweren Jasminduft. Allegra hatte wieder das Parfüm ihrer Mutter benutzt.
    Seufzend ging Lottie um den Flügel herum. »Du hast alles Recht der Welt, auf deinen Vater böse zu sein, Allegra, aber das heißt nicht, dass du einfach …«
    Die Bank war leer. Lottie richtete ihre Augen langsam, zögernd auf die Tasten, die sich trotzdem weiter hoben und senkten, ehe sie schließlich stillstanden und die Töne verklangen.
    Lottie öffnete den Mund, aber kein Laut kam heraus, sodass sie ihn einfach wieder schloss. Sie streckte die Hand aus, um mit zitterndem Finger über eine der Tasten zu streichen.
    »Wenn das deine Vorstellung von einem gelungenen Scherz ist, Mylady, dann lass dir sagen, ich finde es
nicht
lustig.«
    Abrupt hob Lottie den Kopf und entdeckte Hayden, wenige Schritte von ihr entfernt, das

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